Aktuelle Rechtstipps zur Praxisorganisation

Aktuelle Rechtstipps zur Praxisorganisation

TIPP 1: Hintergrundmusik in (Zahn-) Arztpraxen ist nicht GEMA-pflichtig
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 15.03.2012, Aktenzeichen C-135/10, mit Urteil vom 18.06.2015, Az. I ZR 14/14, entschieden, dass die Wiedergabe von Hintergrundmusik in Zahnarztpraxen im Allgemeinen keine vergütungspflichtige öffentliche Wiedergabe im Sinne des Urheberrechtsgesetzes darstellt. Die Wiedergabe von Tonträgern oder Rundfunksendern im Wartebereich der Praxis dient nach der Rechtsprechung des EuGH keinen „Erwerbszwecken“, da dies nicht Teil der zahnärztlichen Behandlung selbst ist. Da aber Patienten lediglich zur zahnärztlichen Behandlung in die Praxis kämen, werden sie von der Musikwiedergabe eher „zufällig“ und unabhängig von ihren Wünschen erreicht.

TIPP 2: Aufbewahrungsfristen für Personalakten
Nach § 165 Abs. 4 SGB VII sind Unterlagen, die für Beitragsrechnungen wichtig sind, 5 Jahre aufzubewahren. Bei den Teilen der Personalakte, die für die Besteuerung von Bedeutung sind, handelt es sich um sonstige Unterlagen im Sinne des § 147 Abs. 1 Nr. 5 der Abgabenordnung (AO), so dass diese nach § 147 Abs. 3 AO sogar mindestens sechs Jahre aufzubewahren sind. Die Aufbewahrungsfrist beginnt mit dem Schluss des Kalenderjahres, in dem sie entstanden sind. Befinden sich in der Personalakte Buchungsbelege, so sind diese zehn Jahre aufzubewahren (§ 147 Abs. 3 AO).

Es empfiehlt sich daher, die Personalakten von ausgeschiedenen Mitarbeitern mindestens zehn Jahre aufzubewahren und die den jeweiligen Mitarbeiter betreffenden Sozialversicherungsmeldungen sogar bis zu deren Verrentung, um ihm evtl. später fehlende Auskünfte zur Rentenversicherung geben zu können. Anschließend hat jedoch aus datenschutzrechtlichen Gründen eine Vernichtung zu erfolgen.

Tipp3: Kostenfreies Auskunftsrecht nach DSGVO kann auch Krankenunterlagen erfassen
In Rechtsprechung und Literatur sind Inhalt, Umfang und Reichweite des Auskunftsrechts des Patienten gegen den Behandler aus der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) umstritten. Einigkeit besteht darin, dass die Einsichtnahme in die Original-Krankenakte nach § 630g Abs. 1 BGB durch die datenschutzrechtliche Regelung in Art. 15 Abs. 3 DSGVO nicht erfasst wird, da die DSGVO selbst kein Einsichtsrecht vorsieht. Das LG Dresden hat jedoch mit Urteil vom 29.05.2020, Az. 6 O 76/20, entschieden, dass das Auskunftsrecht nach Art. 15 DSGVO das Recht auf Auskunft über die eigenen gesundheitsbezogenen Daten einschließt (Erwägungsgrund 63 DSGVO). Die Regelung des § 630g BGB sei dabei nicht spezieller als die Bestimmungen des Art. 15 Abs. 3 DSGVO. Die DSGVO sehe im Übrigen eine Öffnung für anderslautende nationale Regelungen nicht vor. Mithin sei einem Auskunftsverlangen, welches statt auf § 630g BGB auf Art. 15 Abs. 3 DSGVO gestützt wird, vollumfänglich zu entsprechen. Der Behandler könne die Datenübermittlung dabei nicht von der Übernahme von Kosten durch die Patientenseite abhängig machen, da Art. 15 Abs. 3 DSGVO eine Inanspruchnahme für Kosten der Zusammenstellung und Übersendung der Daten (anders als § 630g BGB) gerade nicht vorsieht. Die Erstauskunft sei vielmehr kostenfrei. Dem stehe nicht entgegen, dass bei einer Anforderung nach § 630g BGB auch für die Erstauskunft eine Kostentragung statuiert sei. Die Behandlerseite habe schließlich im Prozess auch nicht eingewandt, dass eine Übersendung im PDF-Format – ein gängiges elektronisches Format im Sinne des Art. 15 Abs. 3 DSGVO – nicht möglich gewesen sei. Es empfiehlt sich daher auf ein Auskunftsverlangen der Patientenseite nach Art. 15 Abs. 3 DSGVO hin sorgfältig zu prüfen, welche Daten in welcher Form herausgegeben werden können und müssen. Ist ein elektronischer Abzug der Krankenakte/Karteikarte im PDF-Format möglich, kommen Sie dieser Aufforderung ohne Kostenanforderung zur Vermeidung eines Rechtsstreits kurzfristig nach und achten Sie beim elektronischen Versand unbedingt auf eine Verschlüsselung der Daten.

Tipp 4: Videoüberwachung im Empfangsbereich der Praxis ist unzulässig
Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat mit Urteil vom 27.03.2019, Az.: 6 C 2.18, die Videoüberwachung von öffentlichen Flächen in einer Zahnarztpraxis für unzulässig gehalten. Im konkret entschiedenen Fall stellte das BVerwG fest, dass die Videoüberwachung des zugänglichen Bereichs der Zahnarztpraxis einen Verstoß gegen Vorschriften des Datenschutzes bei der Erhebung personenbezogener Daten im Sinne von § 38 Abs. 5 Satz 1 BDSG a. F. darstellte, weil die Betroffenen nicht eingewilligt haben und die Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 6b Abs. 1 BDSG a. F. nicht vorlagen. Die Entscheidung erging noch zum alten Recht vor Inkrafttreten der DSGVO. Das Gericht vertrat jedoch die Auffassung, dass die Videoüberwachung des öffentlich zugänglichen Bereichs der Zahnarztpraxis auch nach Maßgabe des Artikel 6 Abs. 1 Buchst. f der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) unzulässig sei. Dass in der Praxis Betäubungsmittel und Wertsachen wie etwa Zahngold aufbewahrt werden, ist nach der Entscheidung des Gerichts für sich genommen nicht geeignet, eine besondere Gefährdung in Bezug auf Diebstähle während der Öffnungszeiten zu begründen. Diebstähle von Betäubungsmitteln und Wertsachen können nach Auffassung des Gerichts auch dadurch verhindern werden, dass sie in verschließbaren Schränken oder Behältern aufbewahrt werden.

Oliver Graf
Rechtsanwälte Semsi | Graf | Buchmüller-Reiss
Partnerschaftsgesellschaft mbB


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