Videosprechstunde – korrekt nach der GOÄ abgerechnet

Videosprechstunde – korrekt nach der GOÄ abgerechnet

EBM und GOÄ
Die Videosprechstunde ist heute, insbesondere aufgrund der Covid-19-Pandemie, aktueller denn je. Im EBM (Einheitlicher Bewertungsmaßstab) wurde bereits im April vorigen Jahres der Leistungskatalog für die Videosprechstunde erweitert; die GOÄ ist bis jetzt unverändert geblieben. Dennoch ist es möglich, die moderne Leistung der Video-Sprechstunde über Leistungsziffern der GOÄ abzubilden und in Rechnung zu stellen.

Beratungsleistungen
Die GOÄ-Nummern 1 (Beratung, auch mittels Fernsprecher) und 3 (Eingehende, das gewöhnliche Maß übersteigende Beratung, Mindestdauer 10 Minuten) erlauben seit jeher die Abrechnung, wenn die Leistung telefonisch erbracht wurde. Bei der Video-Sprechstunde ist dieser Umstand durch die Ton-Verbindung nicht nur erfüllt, sondern wird zusätzlich durch eine Videoübertragung noch ergänzt, so dass eine spezielle Abrechnungsnummer hierfür nicht notwendig ist; ebenso wenig eine Analogabrechnung.

Abrechnungsempfehlung der Bundesärztekammer vom 07.05.2020:
Während der Pandemie mit COVID-19 ist eine mehrfache Abrechnung der GOÄ-Nr. 3 (Eingehende, das gewöhnliche Maß übersteigende Beratung, Mindestdauer 10 Minuten) für längere telefonische Beratungen je vollendete 10 Minuten möglich. Bedingung für die Abrechnung ist, dass es den Patienten aufgrund der Pandemie nicht möglich ist, die Praxis aufzusuchen, oder dass die Versorgung der Patienten anders nicht gewährleistet werden kann.

In einer Sitzung ist die GOÄ-Nr. 3 höchstens 4x berechnungsfähig, vorausgesetzt, das Gespräch hat mindestens 40 Minuten gedauert. Bei der Rechnungstellung ist zu beachten, dass die Gesprächsdauer und die Begründung für die mehrfache Abrechnung in der Rechnung aufgeführt werden müssen.

Je Kalendermonat darf die GOÄ-Nr. 3 bis zu 4x in einem solchen „Block“ von 4×10 zusammenhängenden Minuten abgerechnet werden. Eine Überschreitung des Schwellenwertes (2,3fach) wegen eines erhöhten Zeitaufwandes ist nicht möglich.

Für diese Abrechnungsempfehlung gilt zunächst eine Befristung bis zum 31.07.2020.

Andere Gesprächsleistungen
Gegen eine telefonische bzw. durch Videoübertragung ergänzte Leistungserbringung in Bezug auf die GOÄ-Nr. 4 (Erhebung der Fremdanamnese über einen Kranken und/oder Unterweisung und Führung der Bezugsperson(en) – im Zusammenhang mit der Behandlung eines Kranken) oder die GOÄ-Nr. 34 (Erörterung (Dauer mind. 20 Minuten) der Auswirkungen einer Krankheit auf die Lebensgestaltung in unmittelbarem Zusammenhang mit der Feststellung oder erheblichen Verschlimmerung einer nachhaltig lebensverändernden oder lebensbedrohenden Erkrankung – ggf. einschl. Planung eines operativen Eingriffs und Abwägung seiner Konsequenzen und Risiken -, einschl. Beratung – ggf. unter Einbeziehung von Bezugspersonen) sollten ebenfalls keine Einwände bestehen. Während bei der GOÄ-Nr. 4 ein Angehöriger oder eine andere Bezugsperson des Patienten Gesprächspartner des Arztes ist, muss bei der Erörterung gem. der GOÄ-Nr. 34 der Patient selbst die Videosprechstunde besuchen. Bezugspersonen können, wie in der Leistungslegende aufgeführt, gegebenenfalls “mit vor die Kamera”. Die Einbeziehung von Bezugspersonen ist hier jedoch nicht zwingend erforderlich.

Video-Konsil
Bei der konsiliarischen Erörterung gem. der GOÄ-Nr. 60 (Konsiliarische Erörterung zwischen zwei oder mehr liquidationsberechtigten Ärzten, für jeden Arzt) wird die ohnehin schon häufig auf telefonischem Wege erbrachte Leistung durch eine Videoübertragung ergänzt. Eine Analogabrechnung ist nicht notwendig. Abrechnungsvoraussetzung ist, wie immer schon, dass sich die Gesprächspartner jeweils in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der konsiliarischen Erörterung persönlich mit dem Patienten und dessen Erkrankung befasst haben.

Besonderheit während der Pandemie mit COVID-19
Die Abrechnungsempfehlungen der Bundesärztekammer vom 07.05.2020 machen es möglich, dass die GOÄ-Nr. 60, zunächst befristet bis zum 30.06.2020, auch ohne eine direkte persönliche Befassung mit dem Patienten berechnet werden kann, wenn der Kontakt mit dem Patienten per Videosprechstunde bzw. Videoübertragung erfolgt ist, und sich dies aus den Umständen im Rahmen der COVID-19-Pandemie ergibt.

Körperliche Untersuchungen nur eingeschränkt
Körperliche Untersuchungen sind, bis auf die Erhebung eines Inspektionsbefundes, bei der Videosprechstunde natürlich nicht möglich. Die GOÄ-Nr. 5 (Symptombezogene Untersuchung) erscheint daher die einzig mögliche Leistungsziffer der Gebührenordnung, die für die Abrechnung in Frage kommt. Denkbar wäre die Abrechnung z. B. für einen Inspektionsbefund im Rahmen einer postoperativen Wundkontrolle. Der Patient würde hierfür die betreffende Körperstelle in die Kamera halten.

Andere Leistungsziffern der GOÄ für körperliche Untersuchungen können für die Abrechnung innerhalb der Videosprechstunde nicht in Betracht gezogen werden, da bei den GOÄ-Nummern 6 (Vollständige Untersuchung eines Organsystems: Augen/HNO/stomatognathes System, Nieren-u. ableitende Harnwege, Gefäßstatus), 7 (Vollständige Untersuchung eines Organsystems: Haut, Stütz- u. Bewegungsorgane, Brustorgane, Bauchorgane, weiblicher Genitaltrakt), 8 (Ganzkörperstatus) oder 800 (Eingehende neurologische Untersuchung – ggf. einschließlich der Untersuchung des Augenhintergrundes) ein direkter Körperkontakt in Form von Auskultation, Perkussion, Palpation u. a. notwendig ist.

Zuschläge erlaubt
Für die „Unzeit“ ist ggf. zusätzlich die Abrechnung der hierfür vorgesehenen Zuschläge zu den GOÄ-Nummern 1, 3, 4 und 5 sowie 60 erlaubt. Die Zuschläge A bis K1 beziehen sich hierbei auf die GOÄ-Nrn. 1, 3, 4 und 5; die Zuschläge E bis H auf die GOÄ-Nr. 60.

Atteste und Krankschreibungen
Mit der GOÄ-Nr. 70 (Ärztliche Bescheinigung oder kurzes Zeugnis, Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung) kann zusätzlich ein im Rahmen der Videosprechstunde ausgestelltes Attest oder eine Krankschreibung in Rechnung gestellt werden. Das Porto für die Zusendung ist ebenfalls mit 0,80 € abrechnungsfähig. Wird hingegen im Rahmen einer Videosprechstunde eine Medikamentenverordnung ausgestellt, so ist diese mit den zugrundeliegenden Gebührennummern abgegolten. Hingegen können die Portokosten für die Zusendung des Rezeptes in Rechnung gestellt werden.

Abrechnungsempfehlungen für die Psychotherapie
Zur Abrechnung psychotherapeutischer Leistungen gelten folgende gemeinsame Empfehlungen von BÄK, BPtK, PKV-Verband und den Trägern der Kosten in Krankheits-, Pflege- und Geburtsfällen nach beamtenrechtlichen Vorschriften des Bundes und der Länder, befristet bis zum 30.06.2020:

Abweichungen vom Grundsatz des unmittelbaren persönlichen Kontaktes zwischen Arzt und Patient in Bezug auf die Eingangsdiagnostik, die Indikationsstellung und die Aufklärung sind in besonderen Ausnahmefällen und unter besonderer Beachtung der berufsrechtlichen Sorgfaltspflichten sowohl für die Leistungserbringung als auch für die Abrechnung der folgenden GOÄ-Nummern erlaubt, sofern es sich aus den Umständen im Rahmen der COVID-19-Pandemie ergibt:

GOÄ-Nr. 801 – Eingehende psychiatrische Untersuchung
GOÄ-Nr. 807 – Erhebung einer biographischen psychiatrischen Anamnese bei Kindern oder Jugendlichen unter Einschaltung der Bezugs- und Kontaktpersonen mit schriftlicher Aufzeichnung, auch in mehreren Sitzungen
GOÄ-Nr. 808 – Einleitung oder Verlängerung der tiefenpsychologisch fundierten oder der analytischen Psychotherapie – einschließlich Antrag auf Feststellung der Leistungspflicht im Rahmen des Gutachterverfahrens …
GOÄ-Nr. 860 – Erhebung der biographischen Anamnese unter neurosenpsychologischen Gesichtspunkten mit schriftlicher Aufzeichnung zur Einleitung und Indikationsstellung bei tiefenpsychologisch fundierter oder analytischer Psychotherapie, auch in mehreren Sitzungen
GOÄ-Nr. 885 – Eingehende psychiatrische Untersuchung bei Kindern oder Jugendlichen unter auch mehrfacher Einschaltung der Bezugs- und/oder Kontaktperson(en) unter Berücksichtigung familienmedizinischer und entwicklungspsychologischer Bezüge Selbige Ausnahmeregelung gilt für die Erbringung nachfolgend aufgeführter psychotherapeutischer Leistungen per Videoübertragung (z. B. Videosprechstunde):
GOÄ-Nr. 804 – Psychiatrische Behandlung durch eingehendes therapeutisches Gespräch – auch mit gezielter Exploration
GOÄ-Nr. 806 – Psychiatrische Behandlung durch gezielte Exploration und eingehendes therapeutisches Gespräch, auch in akuter Konfliktsituation – gegebenenfalls unter Einschluss eines eingehenden situationsregulierenden Kontaktgesprächs mit Dritten -, Mindestdauer 20 Minuten
GOÄ-Nr. 817 – Eingehende psychiatrische Beratung der Bezugsperson psychisch gestörter Kinder oder Jugendlicher anhand erhobener Befunde und Erläuterung geplanter therapeutischer Maßnahmen
GOÄ-Nr. 846 – Übende Verfahren (z. B. autogenes Training) in Einzelbehandlung, Dauer mindestens 20 Minuten
GOÄ-Nr. 849 – Psychiatrische Behandlung bei psychoreaktiven, psychosomatischen oder neurotischen Störungen, Dauer mindestens 20 Minuten
GOÄ-Nr. 861 – Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie, Einzelbehandlung, Dauer mindestens 50 Minuten
GOÄ-Nr. 863 – Analytische Psychotherapie, Einzelbehandlung, Dauer mindestens 50 Minuten
GOÄ-Nr. 870 – Verhaltenstherapie, Einzelbehandlung, Dauer mindestens 50 Minuten – gegebenenfalls Unterteilung in zwei Einheiten von jeweils mindestens 25 Minuten
GOÄ-Nr. 886 – Psychiatrische Behandlung bei Kindern und/oder Jugendlichen unter Einschaltung der Bezugs- und/oder Kontaktperson(en) unter Berücksichtigung familienmedizinischer und entwicklungspsychologischer Bezüge, Dauer mindestens 40 Minuten

Video-Behandlung bei „laufender“ Psychotherapie
Unabhängig davon, dürfen bei schon begonnenen psychotherapeutischen Verfahren die Einzelbehandlungen per Videoübertragung durchgeführt werden.


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