Der neue Mehrurlaub nach der 4. PflegeArbbV*

Der neue Mehrurlaub nach der 4. PflegeArbbV*

Seit dem 01. Mai 2020 ist die neue vierte Pflegearbeitsbedingungenverordnung (PflegeArbbV) in Kraft. In dieser werden erneut die Pflegemindestlöhne angehoben. Diese Mindestentgelte staffeln sich künftig nach Qualifikation; ab 01. April 2021 für Pflegehilfskräfte und ab 01. Juli 2021 für Pflegefachkräfte. Zudem beschreibt die PflegeArbbV nun etwas, was vorher dort überhaupt nicht geregelt wurde: Nämlich einen Anspruch auf zusätzlichen Urlaub.

So werden in § 4 der PflegeArbbV erstmals verbindlich zusätzliche bezahlte Urlaubstage festgelegt, welche über den gesetzlichen Mindesturlaub hinausgehen. Dies ist von den Arbeitgebern jetzt umzusetzen und bei der Urlaubsgewährung zu berücksichtigen. Wichtig ist daher zu bestimmen, ob schon Urlaub in der vorgeschriebenen Mindesthöhe gegeben wird und wenn nicht, was sodann zu unternehmen ist.

Auszug aus der vierten Pflegearbeitsbedingungenverordnung (PflegeArbbV)
§ 4 Mehrurlaub
(1) Die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer hat Anspruch auf zusätzlichen bezahlten Erholungsurlaub, der, ausgehend von einer jahresdurchschnittlichen Verteilung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit auf fünf Tage, im Kalenderjahr 2020 fünf Tage und in den Kalenderjahren 2021 und 2022 jeweils sechs Tage beträgt (Mehrurlaub). Verteilt sich die regelmäßige Arbeitszeit im Jahresdurchschnitt auf mehr oder weniger als fünf Tage in der Woche, erhöht oder verringert sich der Anspruch auf Mehrurlaub entsprechend.
(2) Soweit tarifliche, betriebliche, arbeitsvertragliche oder sonstige Regelungen insgesamt einen über den gesetzlichen Erholungsurlaub hinausgehenden Anspruch auf bezahlten Urlaub vorsehen, entsteht der Anspruch auf Mehrurlaub nach Absatz 1 nicht. Gesetzlicher Erholungsurlaub ist der bezahlte Urlaub nach dem Bundesurlaubsgesetz sowie nach anderen Gesetzen.
(3) Im Übrigen gelten für den Mehrurlaub nach Absatz 1 die gesetzlichen Bestimmungen.

1. Höhe des gesetzlichen Mindesturlaubes nach § 3 BUrlG
Dieser Urlaubsanspruch bezieht sich immer auf die Arbeitstage, an denen ein Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung erbringt und nicht auf die vereinbarte Arbeitszeit. Es kommt daher darauf an, auf wie viele Arbeitstage die Arbeitszeit regelmäßig verteilt ist. Bei einem Vollzeitarbeitsverhältnis mit sechs Arbeitstagen in der Woche besteht ein Anspruch von Arbeitnehmern auf den gesetzlichen Mindesturlaub nach § 3 BUrlG von 24 Werktagen (einschließlich Samstag). Bei weniger als sechs Arbeitstagen pro Woche ist der Mindesturlaub anteilig zu gewähren. Pro regelmäßig wöchentlichen Arbeitstag stehen einem Arbeitnehmer vier Urlaubstage zu. Bei einer Fünf-Tage-Woche besteht somit ein anteiliger Mindesturlaubsanspruch von 20 Arbeitstagen.
Auf diesen gesetzlichen Mindesturlaub wird der neue Mehrurlaub nach § 4 PflegeArbbV hinzugerechnet.

2. Höhe des Mehrurlaubs nach § 4 PflegeArbbV
Die Höhe des Mehrurlaubs richtet sich ebenfalls nach der Anzahl der regelmäßigen Arbeitstage pro Woche. Im Jahr 2020 erhalten Beschäftigte mit einer Fünf-Tage-Woche fünf Tage Mehrurlaub. In den Jahren 2021 und 2022 beträgt der Anspruch jeweils sechs Tage. Verteilt sich die regelmäßige Arbeitszeit auf mehr oder weniger als fünf Tage in der Woche, erhöht oder verringert sich der Anspruch auf Mehrurlaub entsprechend. Hier muss der Urlaubsanspruch wieder anteilig betrachtet werden.

Für 2020 steht einem Mitarbeiter pro regelmäßigem wöchentlichem Arbeitstag daher ein zusätzlicher Mehrurlaubstag zu. Hat ein Mitarbeiter beispielsweise nur vier wöchentliche Arbeitstage, bekommt er zu dem gesetzlichen Mindesturlaub vier zusätzliche Urlaubstage im Jahr 2020.

Für 2021 und 2022 erhält ein Mitarbeiter pro regelmäßigem Arbeitstag 1,2 Urlaubstage mehr. Bei einem Mitarbeiter, der vier Tage pro Woche arbeitet sind dies 4,8 Tage. Ergeben sich wie hier Bruchteile von Urlaubstagen, dann werden diese gemäß § 5 Abs. 2 BUrlG auf volle Urlaubstage dann aufgerundet, wenn die Bruchteile mindestens einen halben Tag betragen. Im Falle von vier wöchentlichen Arbeitstagen beträgt der Mehrurlaub ab 2021 somit fünf Urlaubstage. Bei sechs Arbeitstagen die Woche wären es sieben Tage.

3. Besonderheiten bei Einbezug des übergesetzlichen, zusätzlichen Urlaubes

Oft sind im Arbeitsvertrag schon mehr Urlaubstage vereinbart, als nach dem gesetzlichen Mindesturlaub zwingend erforderlich wären. Soweit weiterer arbeitsvertraglicher Zusatzurlaub gewährt wird, wird dieser gem. § 4 Abs. 2 PflegeArbbV auf den Mehrurlaub nach der Pflege-ArbbV angerechnet. Dass bedeutet, dass kein Anspruch auf den Mehrurlaub mehr entsteht. Wird beispielsweise einem Mitarbeiter in der 5-Tage-Woche neben 20 Tagen gesetzlichem Mindesturlaub noch zusätzlich ein vertraglicher Zusatzurlaub von fünf Tagen gewährt, so ist der Anspruch auf Mehrurlaub nach der PflegeArbbV bereits erfüllt. Der vertraglich gewährte zusätzliche Urlaub führt also dazu, dass ein Anspruch auf Mehrurlaub nach der PflegeArbbV nicht entsteht.

Dies gilt aber nur, wenn der vertragliche Zusatzurlaub der Höhe nach dem Mehrurlaub nach der PflegeArbbV entspricht. Sind beispielsweise bei einer fünf Tage Woche zusätzlich zu den 20 Tagen gesetzlichen Mindesturlaub lediglich weitere drei Urlaubstage vereinbart, so entspricht dies nicht der Höhe des Mehrurlaubes nach der PflegeArbbV (fünf Tage im Jahr 2020). Daher sind zwei weitere Tage Mehrurlaub zu gewähren, um den Anspruch der PflegeArbbV zu erfüllen.

Zudem gibt es auch nur dann keinen Anspruch auf Mehrurlaub, wenn für die betreffenden Urlaubstage des vertraglichen Zusatzurlaubs keine von den gesetzlichen Bestimmungen abweichenden Regelungen vereinbart wurden. Grund dafür ist, dass sich der Mehrurlaub nach der PflegeArbbV nach den gesetzlichen Bestimmungen des BUrlG zu richten hat. Wenn also eine sog. Splittingklausel im Arbeitsvertrag zum Beispiel eine Kürzung des arbeitsvertraglich vereinbarten Zusatzurlaubes beim unterjährigen Ausscheiden eines Mitarbeiters in der zweiten Kalenderhälfte vorsieht, so entspricht das nicht den gesetzlichen Bestimmungen. Eine solche Kürzung ist bei dem Mindesturlaub nach dem BUrlG nicht möglich. Von dem BUrlG abweichende Regelungen sind daher für vertraglich vereinbarte Tage nicht möglich, wenn durch diese vertraglichen Urlaubstage der Anspruch auf den neuen Mehrurlaub nach PflegeArbbV erfüllt werden soll.

4. Eventuellen Sonderurlaub beachten
Steht dem Arbeitnehmer aus anderen Normen ein zusätzlicher Sonderurlaub zu, wie beispielsweise ein Zusatzurlaub wegen Schwerbehinderung nach § 208 SGB IX, so ist dieser zusätzlich zu gewähren. Er wird nicht auf den Mehrurlaub angerechnet.

5. Weiteres Vorgehen
Es ist vom Arbeitgeber mindestens Urlaub in folgender Höhe zu gewähren: Gesetzlicher Mindesturlaub nach BUrlG (Punkt 1.) + Mehrurlaub nach PflegeArbbV (Punkt 2. unter Berücksichtigung von Punkt 3.) + ggf. Sonderurlaub (Punkt 4.)

Je nach dem Ergebnis der Berechnung der zu gewährenden Urlaubstage ergeben sich unterschiedliche Handlungserfordernisse:

a) Arbeitsvertraglich vereinbarter Urlaub liegt unter der Höhe des zu gewährenden Urlaubes
Wenn derzeit weniger Urlaubstage gewährt werden, als es nach BUrlG und PflegeArbbV (und ggf. nach Sonderurlaub vgl. Punkt 4.) eigentlich sein müssten, dann sind die Urlaubstage zu erhöhen, bis die vorgeschriebenen Tage erreicht sind. Die Mitarbeiter sind hierüber schriftlich zu informieren.

b) Arbeitsvertraglich vereinbarter Urlaub entspricht oder liegt über der Höhe des nach Bundesurlaubsgesetz und PflegeArbbV zu gewährendem Urlaub. In diesem Fall ist nichts weiter zu unternehmen.

c) Arbeitsvertraglich vereinbarter Urlaub entspricht oder liegt über der Höhe des zu gewährenden Urlaubes aber es gibt arbeitsvertragliche Sonderregelungen, sog. Splittingklausel (vgl. Punkt 3), die vom BUrlG abweichen.
Hier sind die Mehrurlaubstage nach der PflegeArbbV entsprechend den Regelungen des Bundesurlaubsgesetzes zu gewähren. Die vom BUrlG abweichenden arbeitsvertraglich vereinbarten Sonderregelungen für die vertraglich gewährten zusätzlichen Urlaubstage (sog. Splittingklausel) dürfen in diesem Fall nicht angewendet werden.

Wir empfehlen in diesem Fall, diese Sonderregelungen im Rahmen der sog. Splittingklausel durch eine einvernehmliche Anpassung des Arbeitsvertrages zu ändern. Hierbei muss der Arbeitnehmer zustimmen. Wenn der Mitarbeiter mit der Anpassung nicht einverstanden ist, sollte eine verbindliche schriftliche Einzelzusage vom Arbeitgeber abgegeben werden, in der erklärt wird, dass der zusätzlich vertraglich vereinbarte Urlaub, welcher dem Mehrurlaub nach der PflegeArbbV entspricht, nach den gesetzlichen Vorgaben des BUrlG umgesetzt wird, auch wenn in dem Arbeitsvertrag etwas anderes steht.

Tipp: Denken Sie hier auch daran, diese Bestimmung in Ihrem Arbeitsvertragsmuster für künftige Verträge zu ändern.

*Pflegearbeitsbedingungenverordnung

Juliane Horn
Arbeitgeber- und BerufsVerband Privater Pflege e.V. Hannover


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