Arzt und Werbung – Alles oder Nichts

Arzt und Werbung – Alles oder Nichts

Darf die Lupenbrille analog in Ansatz gebracht werden?
Nein, die Anwendung einer Lupenbrille zur Qualitätsverbesserung stellt keine selbständige Leistung dar und ist mit der GOZ-Position abgegolten.

In der Vergangenheit waren Ärzte im Hinblick auf werbende Maßnahmen und die Präsentation ihrer Tätigkeit in der Öffentlichkeit unter anderem durch die Berufsordnungen besonders starken Restriktionen ausgesetzt. In den letzten Jahren wurde der Spielraum für Ärzte jedoch durch liberalere Urteile vergrößert, so dass nunmehr auch bei den Ärzte- und Zahnärztekammern die zutreffende Erkenntnis eingetreten ist: Dem freien Beruf des Arztes und Zahnarztes steht das Grundrecht der Berufsfreiheit (Art. 12 GG) zu, so dass Werbung grundsätzlich erlaubt ist!

So heißt es auch in § 27 der Musterberufsordnung der Ärzte:
„(2) Auf dieser Grundlage sind Ärztinnen und Ärzten sachliche berufsbezogene Informationen gestattet.
(3) Berufswidrige Werbung ist Ärztinnen und Ärzten untersagt. Berufswidrig ist insbesondere eine anpreisende, irreführende oder vergleichende Werbung. Ärztinnen und Ärzte dürfen eine solche Werbung durch andere weder veranlassen noch dulden. (…)“

Diese Vorschrift wurde nahezu inhaltsgleich von sämtlichen regionalen Ärztekammern übernommen; entsprechendes gilt für die Berufsordnungen der Zahnärzte.

Aufgrund der berufsrechtlichen Vorgaben ist leider nicht auf den ersten Blick ersichtlich, welche Werbemaßnahme zulässig oder untersagt ist. Somit ist es stets erforderlich, die beabsichtigte Werbung oder Öffentlichkeitsdarstellung anhand der gesetzlichen Vorgaben und ergangener gerichtlicher Entscheidungen zu bewerten und sich mit möglichen wettbewerbs- und berufsrechtlichen Risiken auseinanderzusetzen. Dabei sind nicht nur der eigentliche Inhalt der Werbung, sondern vor allem auch das Zusammenspiel zwischen der Gestaltung und dem Ort beziehungsweise dem Medium des Erscheinens genau zu prüfen.

1. Inhalt der Werbung
Jedem Arzt sind Werbe- und Öffentlichkeitsmaßnahmen erlaubt, die sachliche und berufsbezogene Informationen enthalten. Teilweise regeln die Berufsordnungen der einzelnen Kammern darüber hinaus ausdrücklich, was unter anderem als sachliche und berufsbezogene Informationen angesehen wird.

Dazu zählen im Kammergebiet der Ärzte in Nordrhein (wie in den meisten anderen Kammerbezirken auch) unter anderem:

  • Nach der Weiterbildungsordnung erworbene Bezeichnungen,
  • nach sonstigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften erworbene Qualifikationen,
  • bis zu drei als solche gekennzeichneten Tätigkeitsschwerpunkte und
  • organisatorische Hinweise.

Bei der Angabe von Bezeichnungen, Qualifikationen, Tätigkeitsschwerpunkten, Leistungsspektrum und weiteren Informationen ist zwingend darauf zu achten, dass diese auch tatsächlich ausgeübt werden und keine Verwechslungsgefahr mit anderen feststehenden Begrifflichkeiten besteht.

Unter Berücksichtigung dieser „Positiv-Liste“ der Berufsordnung versteht es sich von selbst, dass auch die weiteren Angaben über die Anzahl der Ärzte, die vertretenen Fachrichtungen, die Ausrichtung, die Behandlungsmethoden, die Qualifikation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Öffnungs- und Sprechzeiten sowie etwaige Entfernungsangaben der Wahrheit entsprechen müssen, um eine Irreführung der Patienten und eine Verwechslungsgefahr zu vermeiden.

Die mögliche Verwechslungsgefahr stellt eine potentielle Irreführung der Patienten dar, die ausdrücklich verboten ist. Ob eine Verwechslungsgefahr besteht, ist nicht aus Ihrer fachlichen Sicht, sondern stets von dem Standpunkt des Patienten als Laien zu bewerten – aus diesem Grund empfiehlt sich auch eine einfachere und erklärende Sprache anstelle der Verwendung zu vieler Fachtermini und einer künstlichen Ausschmückung des eigenen Praxisumfangs. So wird offensichtlich, dass sich eine Einzelzahnarztpraxis ohne nennenswerte operative Tätigkeit nicht als Zentrum für Zahnheilkunde bezeichnen sollte; eine Augenarztpraxis in der Nachbarschaft eines Krankenhauses darf nicht als Augenabteilung des xy-Krankenhauses dargestellt werden.

Der Vergleich mit ärztlichen Kollegen, weiteren medizinischen Leistungserbringern und medizinischen Methoden ist ebenfalls ausdrücklich unzulässig, sofern dies in unsachlicher oder unangemessener Weise geschieht. Aus diesem Grunde ist bei vergleichenden Aussagen immer besondere Vorsicht geboten und es sollten unter keinen Umständen herabsetzende Formulierungen genutzt werden. Bei Vergleichen mit anderen medizinischen Leistungserbringern ist die wettbewerbsrechtliche Abmahngefahr besonders hoch. Ich empfehle, auf diese Art der Werbung vollständig zu verzichten – lenken Sie den Fokus der Patienten lieber in positiver Weise auf sich selbst und nicht gezielt auf andere!

Dahingegen stellt die früher berufsrechtlich sanktionierte persönliche Vorstellung der (Zahn)Ärzte auf der Praxishomepage mit der Darstellung von Hobbies, bevorzugten Urlaubsregionen, Familie und sozialem Engagement auch nach Auffassung vieler Kammern inzwischen eine zulässige Information dar, obwohl der Informationsgehalt für den Patienten im Hinblick auf die medizinische Behandlung eher als gering und als nicht berufsbezogen zu bewerten ist.

2. Werbezeitpunkt
Früher war es Zahnärzten und Ärzten nur zu besonderen Anlässen, wie der Praxiseröffnung, dem Umzug der Praxis oder einem Praxisjubiläum erlaubt, Werbeanzeigen in Zeitungen zu schalten.

Diese Einschränkungen gelten nicht mehr, so dass Sie jederzeit Werbe- und Informationsanzeigen in Auftrag geben können; auch eine Höchstanzahl von Werbeanzeigen innerhalb eines bestimmten Zeitraums gibt es grundsätzlich nicht.

3. Werbemedium
Bei der Wahl des Werbemediums müssen Sie zumindest nach Ansicht der Kammern strikt zwischen der Werbung in Ihren Praxisräumen und einer Öffentlichkeitswerbung außerhalb der Praxis unterscheiden.

Wird von den Ärztekammern das Auslegen von Kugelschreibern, Praxisbroschüren und Informationsplakaten in den Praxisräumen als zulässig und teilweise sogar als erwünscht angesehen, um die Patienten umfassend zu informieren, bestehen zumindest bei der berufsrechtlichen Aufsicht erhebliche Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit eines Praxisprospektes als Zeitungsbeilage, dem unaufgeforderten Versenden von Postwurfsendungen an Haushalte im Einzugsbereich der Praxis oder das Nennen eines Preises für einzelne Behandlungsmaßnahmen. Dies ist besonders verwunderlich, da es gewerblichen medizinischen Leistungserbringern (wie beispielsweise Krankenhäusern) ohne Weiteres erlaubt ist, sich ohne die vorgenannten Beschränkungen in der Öffentlichkeit zu präsentieren.

Unzweifelhaft als zulässig zu bewerten sind jedoch Zeitungs-, Zeitschriften- und Telefon-/Branchenbuchannoncen – sowohl in gedruckter, als auch in digitaler Form. Sofern Sie lediglich die unter Punkt 1 genannten Angaben machen, sollten ebenfalls Plakate, Aufdrucke auf Trikots, Bus-, Straßenbahn- und Bandenwerbung zulässig sein. Eine Gewissheit, dass Sie durch eine weitreichende Werbemaßnahme nicht in den Fokus der Kammer oder besorgter Kollegen geraten, besteht jedoch nicht – allerdings steht die Rechtsprechung einer maßvollen Liberalisierung der ärztlichen Werbung nicht entgegen.

4. Das Zusammenspiel von Inhalt, Zeitpunkt und Werbemedium
Sie müssen beachten, dass stets eine Gesamtschau von Inhalt, Zeitpunkt, Werbemedium und Gestaltung vorgenommen werden muss, um zu beurteilen, ob eine Werbemaßnahme tatsächlich zulässig ist. So ist beispielsweise davon auszugehen, dass eine Annonce eines Chirurgen oder eines Zahnarztes in der Mitgliederzeitschrift des für körperliche Gewalt bekannten Rockerclubs Hells Angels von der Kammer beanstandet wird, obwohl die identische Anzeige in einer gewöhnlichen Zeitung unzweifelhaft zulässig ist.

5. Heilmittelwerberecht
Durch das Heilmittwerbegesetz (HWG) werden Vorgaben hinsichtlich der Werbung für Arzneimittel, Medizinprodukte, sonstige Heilmittel und Heilverfahren gemacht. Das HWG schränkt somit zusätzlich zu Berufs- und Wettbewerbsrecht die Werbemöglichkeiten von Ärzten ein. Da sich das HWG primär an die Hersteller der Arzneimitteln und Medizinprodukten richtet, möchte ich hier nur kurz einige grundlegende Vorgaben vorstellen:

Unter anderem dürfen keine irreführenden Angaben über konkrete Verfahren und Behandlungen zur Erkennung, Behandlung, Beseitigung und Linderung von Krankheiten gemacht werden. So ist es verboten, einzelnen Behandlungsmaßnahmen Wirkungen oder therapeutische Wirksamkeiten zuzuschreiben, die tatsächlich nicht eindeutig wissenschaftlich nachgewiesen sind. Studien dürfen nur dann zitiert werden, wenn diese einen Bezug zu der konkreten Behandlung haben.

Die Werbung für gewerbliche Produkte oder Dienstleistungen, also die Werbung, die über eine konkrete Behandlungsmethode hinausgeht und sich explizit auf ein bestimmtes Präparat oder einen bestimmten Hersteller bezieht, ist dem Arzt schon nach der Berufsordnung untersagt.

Das früher in § 11 Abs. 1 Nr. 4 HWG enthaltene Verbot, dass der Arzt nicht im Kittel in der Praxis abgelichtet und das Foto sodann veröffentlicht werden durfte, existiert nicht mehr. Dennoch ist dieses nicht mehr existierende Verbot immer noch in den Köpfen vieler Ärzte verankert. Inzwischen verzichten Ärzte jedoch häufig auf Fotografien im Arztkittel, da dieser schlicht als nicht mehr modern gilt – (Polo)Hemd oder Bluse und Chinohose trägt der modebewusste Arzt von heute!

Entgegen den Liberalisierungstendenzen im Berufs- und Wettbewerbsrecht bleibt die Rechtsprechung bei möglichen Verstößen gegen das HWG streng, so dass diesbezüglich eine besondere Vorsicht geboten ist; dies gilt nicht zuletzt aufgrund der teils erheblichen Geld- und sogar Freiheitsstrafen.

6. Keine Umgehungsmöglichkeit
Wer jetzt auf die Idee kommt: Wenn ich als Arzt nicht selbst diese Art von Werbung einsetzen darf, könnte mich doch mein nichtärztlicher Ehepartner oder mein guter Freund vollkommen frei von den Beschränkungen des Berufs- und Wettbewerbsrechts in der Öffentlichkeit präsentieren. Dies ist leider ebenfalls nicht zulässig, da Sie es als Arzt oder Zahnarzt nicht dulden dürfen, dass berufsrechtswidrige Werbung über Sie verbreitet wird.

Konkret wird diese Stolperfalle vor allem für in Praxen oder Kliniken angestellte Ärzte, deren Arbeitgeber in unzulässiger Weise Öffentlichkeitsarbeit betreibt; unter Umständen wird es dann sogar erforderlich, dass der angestellte Arzt gerichtlich gegen seinen Arbeitgeber vorgehen muss, um sich selbst berufs- und wettbewerbsrechtlich nicht angreifbar zu machen – dies gilt natürlich nur dann, wenn die rechtlich angreifbare Werbemaßnahme nicht in gegenseitigem Einvernehmen eingestellt wird.

Wie Sie sehen, existieren im (zahn)ärztlichen Werberecht aufgrund unterschiedlicher gesetzlicher Vorgaben, der verschiedenen Kammerbezirke und der sich entwickelnden Rechtsprechung zahlreiche Stolperfallen, die durch eine fundierte rechtliche Beratung jedoch mit hinreichender Sicherheit umschifft werden können.

Arndt Wienand, LL.M. Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht
Rechtsanwaltskanzlei Buchmüller-Reiss, Köln


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