Rechtliche Stolperfallen der externen ZMV

Rechtliche Stolperfallen der externen ZMV

Haftung gegenüber Patienten und Kostenträgern
Der mit einer externen ZMV und dem Zahnarzt geschlossene Vertrag ist als Dienstleistungsvertrag zu qualifizieren. Dies hat zur Folge, dass die selbstständige ZMV in rechtlicher Hinsicht keinen Erfolg und keine Ordnungsgemäßheit, sondern lediglich das Bemühen hinsichtlich der ordnungsgemäßen Erstellung von Heil- und Kostenplänen sowie von Abrechnungen schuldet. Erst bei eklatanten Fehlern des externen Dienstleisters besteht die Möglichkeit Schadensersatzansprüche gegen diesen geltend zu machen.

Dies kann insbesondere deshalb problematisch werden, da ausschließlich Sie als Praxisinhaber gegenüber den Patienten und den Kostenträgern für die ordnungsgemäße Kostenaufklärung und Abrechnung haften. Die Fehler eines externen Dienstleisters fallen somit zunächst immer Ihnen selbst „auf die Füße“, bevor Sie im Anschluss an die Auseinandersetzung mit dem verärgerten Patienten oder dem Kostenträger rechtlich prüfen lassen können, ob Ihnen ein Regressanspruch gegenüber der externen ZMV zusteht.

Scheinselbstständigkeit
Das größte rechtliche und wirtschaftliche Risiko besteht jedoch in der Scheinselbstständigkeit einer externen ZMV, die dazu führt, dass eine Einbeziehung eines solchen Dienstleisters sowohl in der vertraglichen Gestaltung, als auch in der tatsächlichen Umsetzung rechtlich genau zu prüfen ist.

Ebenso wie bei externen Honorarärzten im Krankenhaus und Notärzten in Rettungsstellen bewerten die Sozialversicherungsträger bei entsprechenden Prüfungen die Tätigkeit einer externen ZMV immer wieder als abhängige Tätigkeit und qualifizieren die externe ZMV als abhängig Beschäftigte (Arbeitnehmer). Nicht selten bestätigt die Rechtsprechung der Sozialgerichte die Sozialversicherungsträger in dieser Einschätzung. Dies führte – anders als bei externen Honorarärzten und Notärzten – bis jetzt zu keiner großen öffentlichen Diskussion oder einer kritischen Prüfung entsprechender Modelle. Leider ändert dies jedoch nichts daran, dass rechtliche und wirtschaftliche Risiken bestehen und vor allem Sie als Praxisinhaber davon betroffen sind: Ausschließlich Sie sind rechtlich verpflichtet, rückwirkend für bis zu vier Jahre die Gesamtsozialversicherungsbeiträge (Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteile) abzuführen (§§ 25 Abs. 1, 28e Abs. 1 SGB IV) – ob Ihr externer Dienstleister wirtschaftlich dazu in der Lage ist, Ihnen seine Arbeitnehmeranteile im Anschluss daran zu erstatten, steht in den Sternen. Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass der vermeintlich freie Mitarbeiter plötzlich als angestellter Arbeitnehmer zu werten ist und somit sämtliche Arbeitnehmerrechte Ihnen gegenüber geltend machen kann.

In diesem Zusammenhang möchte ich Sie auf eine positive Entscheidung des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 08.07.2016 (Az. L 4 R 4979/15) aufmerksam machen, in der die durch das Bundessozialgericht aufgestellten rechtlichen Voraussetzungen für eine selbstständige Tätigkeit umfassend geprüft und bewertet werden. Anders als beispielsweise in dem durch das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg am 29.01.2016 entschiedenen Sachverhalt (Az. L 1 KR 118/14) kam das Gericht in Stuttgart zu dem Ergebnis, dass die externe ZMV tatsächlich selbstständig und somit nicht sozialversicherungspflichtig beschäftigt war:

Die externe ZMV hatte ein Gewerbe unter der Firma „Zahnmedizinische Praxisverwaltung I. D.“ angemeldet und an ihrem Wohnsitz ein Büro eingerichtet. Zu ihrem Kundenkreis zählten sechs unterschiedliche Zahnarztpraxen, mit denen jeweils nur mündliche Verträge mit jederzeitiger Kündigungsmöglichkeit geschlossen wurden. Um ihre Tätigkeit ausüben zu können, griff die externe ZMV auf ein Auto, einen Laptop, ein Mobiltelefon, ein Telefaxgerät und eigenes Briefpapier zurück. Fort- und Weiterbildungen finanzierte sie ebenso wie entsprechende Fachliteratur selbst.

Ihre Tätigkeit umfasste unter anderem die Durchführung und Optimierung der Abrechnung, das Praxismanagement sowie die Schulung von Praxisinhabern und Personal. Die externe ZMV war nicht verpflichtet, die Dienstleistung persönlich zu erbringen, sondern konnte diese an eigene Angestellte delegieren; von dieser Möglichkeit machte sie jedoch keinen Gebrauch.

Im Rahmen ihrer Tätigkeit war sie hinsichtlich der Zeiteinteilung sowohl innerhalb, als auch außerhalb der Praxissprechzeiten frei. Pausen-, Urlaubsund Krankheitszeiten wurden nicht vergütet; die Abrechnung erfolgte in einem monatlichen Rhythmus nach geleisteten Zeitstunden zu einem Stundenhonorar von zunächst 40,00 € und später 50,00 € netto. Die externe ZMV nahm nicht an Dienstbesprechungen teil und trug keine Dienstkleidung. Lediglich Detailfragen zu gewissen Abrechnungsfällen wurden mit den Zahnärzten gesondert besprochen; in der Regel erfolgte die Erstellung von Heil- und Kostenplänen sowie von Abrechnungen ohne Rücksprache.

Zur Ausübung der Tätigkeit begab sich die externe ZMV meist in die jeweilige Praxis und arbeitete dort mit ihrer eigenen Büroausstattung an einem bereitstehenden Schreibtisch. Dabei wählte sie sich mit eigenen Softwarelizenzen in die Abrechnungssoftware der jeweiligen Praxis ein. Es bestand jedoch ebenso die Möglichkeit, sich von dem Büro der externen ZMV aus in die Software und den Datenbestand der einzelnen Praxen einzuwählen und die Dienstleistung außerhalb der Praxis zu erbringen.

Das Gericht hat unter Würdigung sämtlicher vertraglich geregelter und tatsächlich praktizierter Merkmale der Tätigkeit die Selbstständigkeit der externen ZMV geprüft und festgestellt. Allein auf Grundlage sämtlicher tatsächlich vorliegender und praktizierter Tätigkeitsdetails konnte von dem Landessozialgericht auf eine sozialversicherungsfreie Dienstleistung geschlossen werden. Die Tatsache, dass das Verwaltungsverfahren zu Lasten der externen ZMV ausging und der Sozialversicherungsträger nach der die Selbstständigkeit bestätigenden erstinstanzlichen Entscheidung in Berufung ging und das Landessozialgericht über die Angelegenheit entscheiden musste, zeigt deutlich, dass die sozialversicherungsrechtliche Bewertung der Tätigkeit einer externen ZMV schwierig ist und auf unsicherem rechtlichen Terrain verläuft.

Um berufs-, straf-, arbeits- und sozialrechtliche Risiken zu minimieren, empfiehlt es sich daher, in jedem Einzelfall genau zu prüfen, ob es tatsächlich rechtlich und wirtschaftlich sinnvoll ist, gewisse Tätigkeiten an einen externen Dienstleister zu übertragen; wird dies bejaht, sind die gesetzlichen und von der Rechtsprechung gestellten Anforderungen an eine selbstständige Tätigkeit nicht nur im Rahmen der vertraglichen Regelung, sondern auch in der tatsächlichen Ausgestaltung der Dienstleitung zu berücksichtigen.

Arndt Wienand LL.M., Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht
Rechtsanwaltskanzlei Buchmüller-Reiss, Köln


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Autoren, sofern nicht ausführlich benannt:

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