Aufbewahrungs- und Archivierungspflichten der (zahn)ärztlichen Praxis

Aufbewahrungs- und Archivierungspflichten der (zahn)ärztlichen Praxis

Schon wieder ist das letzte Quartal des Jahres angebrochen und in mancher Praxis besteht zum Jahreswechsel die Möglichkeit, das Jahresende für einige ungeliebte Verwaltungsaufgaben zu nutzen, um ohne unnötigen Ballast in das kommende Jahr zu starten.

Kann das wirklich schon weg?
Die Musterberufsordnung der Ärzte (§ 10 Abs. 3 MBO-Ä) und Zahnärzte (§ 12 Abs. 1 MBO-ZÄ) sowie die Bundesmantelverträge (§ 57 Abs. 2 BMV-Ä, § 8 Abs. 3 BMV-ZÄ) und das Bürgerliche Gesetzbuch (§ 630f Abs. 3 BGB) sehen eine Aufbewahrungsfrist von (mindestens) 10 Jahren vor. Diese Frist gilt grundsätzlich für sämtliche mit der Behandlung verbundenen Unterlagen und Dokumente, so dass die zehnjährige Aufbewahrung der Behandlungsdokumentation eine sinnvolle Richtschnur darstellt.

Leider gibt es von diesem Grundsatz zahlreiche spezialgesetzliche Ausnahmen, die zum Teil deutlich längere, aber auch wesentlich kürzere Aufbewahrungspflichten vorsehen. Aus diesem Grunde ist es wichtig, einen kurzen Blick auf einige besonders wichtige Spezialgesetze zu werfen.

Im Hinblick auf Röntgen- und Strahlenbehandlungen gelten wesentlich längere Aufbewahrungsfristen von 30 Jahren (§ 28 Abs. 3 RöV, § 85 Abs. 3 StrlSchV); Unterlagen hinsichtlich der entsprechenden Betriebsgenehmigung beziehungsweise der Abnahmeprüfung der Röntgenanlage sind für die gesamte Dauer des Betriebes und somit unter Umständen sogar länger als 30 Jahre aufzubewahren (§ 16 Abs. 4 RöV). Auch das Transfusionsgesetz sieht teilweise deutlich längere Aufbewahrungsfristen von mindestens 30 Jahren vor (§ 14 Abs. 3 TFG).

Doch es gibt auch kürzere Aufbewahrungspflichten, wie beispielsweise die dreijährige Archivierungspflicht im Rahmen der Betäubungsmittelverschreibungsverordnung (bspw. BTM-Rezeptvordruck Teil III, fehlerhaft ausgefüllte BTM-Rezeptformulare und Betäubungsmittelbücher) (§ 8 Abs. 5, § 13 Abs. 3 BtMVV).

Die Höchstgrenze der Aufbewahrungsfrist beträgt aufgrund der zivilrechtlichen Verjährungsfrist des § 199 Abs. 2 BGB 30 Jahre; eine solch lange Aufbewahrung empfiehlt sich vor allem dann, wenn aufgrund von aufgetretenen Komplikationen Schmerzensgeld- und Schadensersatzansprüche zu befürchten sind oder ein entsprechender Rechtsstreit anhängig ist. Sofern diese Aufbewahrungsfrist nicht berücksichtigt wird, könnte sich dies in einem gerichtlichen Verfahren unter Umständen für Sie negativ auswirken.

Die Aufbewahrungsfristen beginnen grundsätzlich mit dem Abschluss des Kalenderjahres, in dem die jeweilige Behandlung stattgefunden hat und endet folglich ebenso am Schluss des Jahres der Aufbewahrungsfrist. Gilt die zehnjährige Aufbewahrungsfrist, kann die Dokumentation bei einer komplikationslosen Behandlung, die Sie im Juli 2008 vorgenommen haben, demnach am Ende dieses Jahres (2018) vernichtet werden; dies gilt natürlich nicht, wenn spezialgesetzliche Vorgaben eine längere Aufbewahrung vorschreiben

Eine ausführliche Übersicht über nahezu sämtliche Aufbewahrungsfristen finden Sie auf der Homepage der Rechtsanwaltskanzlei Buchmüller-Reiss unter der Rubrik news (www.buchmueller-reiss.de/news).

Sonderfall Digitale Archivierung
Die aus rechtlicher Sicht sicherste Form der Aufbewahrung ist die Archivierung der Originalunterlagen. Es ist jedoch auch zulässig, die mit der Behandlung zusammenhängenden Dokumente in digitaler Form zu archivieren. In diesem Fall muss jedoch nachweisbar der ordnungsgemäße Betrieb und Ablauf der Archivierung nach dem aktuellen Stand der Technik berücksichtigt werden. Ebenso wie bei der Behandlungsdokumentation in elektronischer Form, muss auch bei dem Einscannen von Originaldokumenten verhindert werden, dass nachträglich Änderungen vorgenommen werden können, die nicht als solche erkennbar sind (revisionssichere Dokumentation und Archivierung).

Im Falle einer gerichtlichen Auseinandersetzung haben jedoch stets die Originaldokumente einen höheren Beweiswert (Urkunde, § 416 ZPO) als eingescannte Unterlagen (Objekt des Augenscheins, § 371 Abs. 1 ZPO). Unabhängig von der Art der Archivierung müssen die archivierten Unterlagen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stets vollständig, verfügbar und lesbar sowie ordnungsgemäß sein.

Arndt Wienand, LL.M. Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht
Rechtsanwaltskanzlei Buchmüller-Reiss, Köln


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