Zwangslistung in Bewertungsportalen im Internet – No way out?

Zwangslistung in Bewertungsportalen im Internet – No way out?

1. Ausgangsbasis
Ein häufiges Ärgernis für Behandler ist die einwilligungslose „Zwangslistung“ auf Bewertungsportalen im Internet, insbesondere wenn diese aufgrund der konkreten Gestaltung zugunsten ihrer zahlenden „Premiumkunden“ lenkend in den Wettbewerb eingreifen. Arztbewertungsportale erfüllen dabei nach höchstrichterlicher Rechtsprechung zwar grundsätzlich eine von der Rechtsordnung gebilligte und gesellschaftlich erwünschte Funktion (BGH, Urt. v. 23.9.2014 – VI ZR 358/13). Dies gilt jedoch nur, solange der Portalbetreiber seine Stellung als „neutraler Informationsmittler“ nicht verlässt, was insbesondere dann der Fall ist, wenn er eigenen Kunden in Gewinnerzielungsabsicht „verdeckte Vorteile“ verschafft (BGH, Urt. v. 20.2.2018 – VI ZR 30/17, GesR 2018, 394). Dann überwiegen die Interessen des betroffenen Arztes, der durch die zwangsweise Aufnahme in ein Arztbewertungsportal nicht nur unerheblich belastet ist (vgl. (BGH, Urt. v. 23.9.2014 – VI ZR 358/13), so dass die einwilligungslose Speicherung und Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten in einem solchen Fall unzulässig ist und der Betroffene Unterlassung verlangen kann.

2. Entscheidungen des OLG Köln
Das OLG Köln hatte sich kürzlich in zwei Entscheidungen (Urteile vom 14.11.2019, Az.: 15 U 89/19 und 15 U 126/19) ausführlich mit der unfreiwilligen Zwangslistung von Ärzten/Zahnärzten beim Online-Bewertungsportal Jameda (www.jameda.de) zu befassen.
Das OLG beanstandete in den genannten Entscheidungen, dass auf den Profilen der sogenannten „Basiskunden“ (die auch ohne Einwilligung der Betroffenen eingerichtet werden) auf eine Liste mit „weiteren“ Ärzten verwiesen wurde, während auf den Profilen der „Premium- oder Platinkunden“, die Zahlungen an das Portal leisten, ein solcher Hinweis fehlte, wodurch auf diesen Profilen der Eindruck entstehen konnte, dass diese keine Konkurrenz hätten. Für unzulässig gehalten hat das OLG Köln weiter, dass zwischen den Profilen zahlender „Premium- oder Platinkunden“ gegenüber nicht zahlender „Basiskunden“ ein erhebliches optisches Gefälle bestand. Im entschiedenen Fall waren zahlende Kunden in Auflistungen mit Bild dargestellt worden und ihre Profile enthielten Verweise auf Fachartikel, während bei den nicht zahlenden „Basiskunden“ nur ein grauer Schattenriss in der Auflistung zu sehen war und die Profile auch keine Verweise auf Fachartikel enthielten. Auch den Umstand, dass auf dem Basis-Profil mittels optischer Hervorhebung unter der Rubrik „Passende Behandlungsgebiete und Lexikon-Inhalte“ ein Verweis auf „Ärzte mit speziellen Behandlungsgebieten“ aufgeführt wurde, der bei zahlenden „Premium- oder Platinkunden“ nicht erfolge, hielt das OLG für unzulässig, da hierdurch beim Nutzer der Eindruck entstehen könnte, dass der als nicht zahlender „Basiskunde“ gelistete Behandler möglicherweise nicht ausreichend qualifiziert sei, weil auf seinem Profil auf andere Behandler für das „spezielle“ medizinische Fachgebiet verwiesen werde, wohingegen bei zahlenden Premium- oder Platinkunden ein solcher Verweis unterbleibe.

Das OLG Köln war dabei der Auffassung, dass nicht schon jede (insbesondere offenkundige) Besserstellung zahlender Kunden gegenüber Nichtzahlern zu einer Unzulässigkeit insbesondere einer einwilligungslosen Datenverarbeitung und „Zwangslistung“ im Bewertungsportal führt. Vielmehr müsse durch einen „verdeckten“ Vorteil beim Nutzer eine Fehlvorstellung erweckt werden. Demgegenüber hat das LG Wuppertal mit Urteil vom 29.3.2019, Az.: 17 O 178/18, auch eine offene Ungleichbehandlung von zahlenden „Premium- und Platinkunden“ gegenüber (insbesondere ohne Einwilligung zwangsgelisteten) nichtzahlenden Basiskunden beanstandet, da ein solches Portal hierdurch aktiv in den Wettbewerb eingreife und damit die Rolle als „neutrale“ Informationsmittlerin verlasse.

3. Ausblick
Das OLG Köln hat die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen. Bleibt zu hoffen, dass der BGH klarstellen wird, dass ein Bewertungsportal, welches seinen zahlenden Kunden (auch lediglich offenkundige) Wettbewerbsvorteile gegenüber nicht zahlenden, insbesondere ohne deren Einwilligung als „Basiskunden“ zwangsgelisteten Ärzten verschafft, keine von der Rechtsordnung gebilligte und gesellschaftlich erwünschte Funktion erfüllt, so dass die Zwangslistung ohne Einwilligung des Betroffenen in solchen Fällen unzulässig ist.
Stellen Sie fest, dass Sie auf einem Bewertungsportal unangemessen ungleich behandelt werden, so können Sie im Wege der Unterlassungsklage gegen den entsprechenden Portalbetreiber vorgehen.

Oliver Graf
Rechtsanwälte Semsi | Graf | Buchmüller-Reiss
Partnerschaftsgesellschaft mbB


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