Was die Rechtsprechung im Wettbewerb erlaubt und was sie im Praxisalltag verlangt

Was die Rechtsprechung im Wettbewerb erlaubt und was sie im Praxisalltag verlangt

Wettbewerbsstark auftreten, rechtssicher aufklären

 

„Zahnzentrum“ auch für kleine Praxen? – Zwei Urteile schaffen Klarheit

Darf eine Zahnarztpraxis mit nur zwei Behandlern den Begriff „Zentrum“ im Namen führen? Diese Frage wird in der wettbewerbsrechtlichen Beratung immer wieder gestellt – und gleich zwei aktuelle Urteile liefern nun eine klare und praxisnahe Antwort: Ja, das ist zulässig – sofern bestimmte Rahmenbedingungen erfüllt sind.

Das Landgericht Offenburg hat im Juni 2024 entschieden, dass die Bezeichnung „Zahnzentrum“ durch eine inhabergeführte Praxis mit zwei Zahnärzten nicht irreführend ist (LG Offenburg, Urt. v. 12.06.2024 – 5 O 25/23). Der Begriff „Zentrum“ verlange im medizinischen Kontext nicht mehr zwingend eine überdurchschnittliche Größe – auch deshalb, weil nach § 95 SGB V ein medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) bereits mit zwei Ärzten betrieben werden kann. Eine Differenzierung allein aufgrund der Organisationsform sei daher nicht mit der Berufsausübungsfreiheit vereinbar.

Bereits ein Jahr zuvor hatte das Oberlandesgericht Frankfurt einen vergleichbaren Fall entschieden. Auch dort wurde die Bezeichnung einer Facharztpraxis für plastische Chirurgie mit zwei Ärzten als „Zentrum“ für zulässig erklärt (OLG Frankfurt, Urt. v. 11.05.2023 – 6 U 4/23). Entscheidend sei, so das Gericht, dass sich durch die häufige Marktpräsenz kleiner MVZs der Erwartungshorizont des Publikums gewandelt habe. Der Begriff „Zentrum“ werde nicht mehr automatisch mit großer Personalstärke assoziiert, sondern könne auch eine besondere fachliche Ausrichtung oder technische Ausstattung widerspiegeln.

Beide Gerichte betonen zudem, dass ein Verbot der Bezeichnung „Zentrum“ bei Berufsausübungsgemeinschaften mit zwei Behandlern – im Gegensatz zu MVZs mit identischer Besetzung – gleichheitswidrig wäre.

Für Praxen im Wettbewerb bedeutet dieses Urteil: Wer qualitativ hochwertige Leistungen anbietet, darf das auch selbstbewusst kommunizieren – sofern keine Irreführung vorliegt. Dabei wird zum einen deutlich, wie wichtig ein professioneller Werbeauftritt im medizinischen Wettbewerb ist. Zum anderen unterstreicht die Entscheidung, wie wichtig eine juristisch fundierte Beratung im Umgang mit wettbewerbsrechtlichen Angriffen ist.

BGH betont Bedeutung der mündlichen Patientenaufklärung

Der Bundesgerichtshof (BGH, Urteil vom 05.11.2024, Az. VI ZR 188/23) hat erneut die Bedeutung der mündlichen Patientenaufklärung betont. Schriftliche Aufklärungsbögen ersetzen kein persönliches Gespräch, sondern dienen lediglich als Ergänzung. Die wesentlichen Risiken eines Eingriffs müssen im Gespräch erläutert werden, und der Patient muss Gelegenheit für Rückfragen haben.

Der konkrete Fall bezog sich auf eine Fußoperation, bei der trotz unterschriebenem Aufklärungsbogen das Risiko einer Nervschädigung nicht ausreichend besprochen worden war.Der BGH entschied, dass die Aufklärung deshalb mangelhaft war.

Ärzte und Zahnärzte sollten daher im Rahmen der mündlichen Aufklärung wichtige Risiken klar benennen und individuelle Aspekte handschriftlich auf dem Aufklärungsbogen ergänzen. Zusätzlich verbessert eine detaillierte Dokumentation des Gesprächs in der Patientenakte die Beweislage im Streitfall.

 

Oliver Graf
Rechtsanwalt & Fachanwalt für Medizinrecht
Rechtsanwälte Semsi | Graf | Buchmüller-Reiss
Partnerschaftsgesellschaft mbB
www.kanzlei-sgbr.de


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