Verjährung und Verwirkung: Wer zu lange wartet, hat den Schaden!

Verjährung und Verwirkung: Wer zu lange wartet, hat den Schaden!

Selbst wer es sich leisten kann, längere Zeit auf ihm zustehendes Geld zu warten, hat zwei K.O.-Kriterien für die erfolgreiche Durchsetzung von Forderungen im Auge zu behalten, nämlich die Verjährung und die Verwirkung.

Gemeinsam haben die Verjährung und die Verwirkung, dass beide einen gewissen Zeitablauf voraussetzen und beide die erfolgreiche Durchsetzung einer Forderung verhindern können. Rechtlich handelt es sich jedoch um zwei unterschiedliche Tatbestände mit unterschiedlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen:

1. Die Verjährung
Die Verjährung hat der Gesetzgeber in den §§ 194ff. BGB geregelt. Danach unterliegen Ansprüche, zu denen auch Zahlungsforderungen gehören, der Verjährung. Honoraransprüche aus einem (zahn-)ärztlichen Behandlungsvertrag verjähren grundsätzlich innerhalb von drei Jahren. Die Verjährungsfrist beginnt gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB mit Ende des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist, wobei die Frist jedoch erst mit Fälligkeit des Anspruchs zu laufen beginnt. Da gemäß § 12 Abs. 1 GOÄ bzw. § 10 Abs. 1 GOZ die Erteilung einer Gebührenrechnung Fälligkeitsvoraussetzung für den Vergütungsanspruch des (Zahn-)Arztes ist, beginnt die Verjährung somit erst mit dem Zugang der Gebührenrechnung zu laufen.

Beispiel:
Forderungen aus einer Behandlung vom 08.10.2015-01.02.2016, die Sie mit Rechnung vom 20.02.2016 abgerechnet haben, die dem Schuldner am 22.02.2016 zugegangen ist, verjähren grundsätzlich mit Ablauf des 31.12.2019.

Praxistipp 1
Zahlungsforderungen gegen Patienten verjähren grundsätzlich mit Ablauf des dritten Kalenderjahres nachdem dem Patienten eine den Anforderungen des § 12 GOÄ bzw. § 10 GOZ genügenden Abrechnung zugegangen ist. Legen Sie sich daher die Rechnungen frühzeitig auf entsprechende Wiedervorlage. Zahlungsansprüche aus Abrechnungen des Jahres 2016 verjähren mit Ablauf des 31.12.2019

Ist Verjährung eingetreten, kann die Forderung gleichwohl zunächst weiterhin geltend gemacht werden. Sie ist allerdings dem Risiko ausgesetzt, dass der Schuldner die Zahlung unter Berufung auf die Einrede der Verjährung verweigert. Erkennt der Schuldner allerdings (zunächst) nicht, dass die Forderung verjährt ist und begleicht die Forderung, so ist die Forderung damit erledigt. Denn bei der Verjährung handelt es sich um eine Einrede, die voraussetzt, dass der Schuldner diese vor dem Bezahlen erhebt (§ 214 Abs. 1 BGB). Erhebt der Schuldner erst nach erfolgter Zahlung die Einrede der Verjährung, so hat er Pech gehabt und kann den geleisteten Betrag nicht mehr nachträglich zurückverlangen (§ 214 Abs. 2 BGB). Eine bereits verjährte Forderung kann daher auch grundsätzlich weiterhin vom Gläubiger geltend gemacht werden, da die Verjährung nicht zum Erlöschen der Forderung führt. Der Eintritt der Verjährung gibt dem Schuldner allerdings das Recht, die Zahlung der Geldschuld zu verweigern, wenn er sich vor dem Bezahlen auf die Einrede der Verjährung beruft.

Praxistipp 2
Der Schuldner einer verjährten Forderung muss sich vor dem Bezahlen auf die Einrede der Verjährung berufen. Nach Eintritt der Verjährung geleistete Zahlungen können nicht zurückgefordert werden, auch wenn nachträglich noch die Einrede der Verjährung erhoben wird.

Wie kann man nun verhindern, dass eine Forderung verjährt?
Hierzu gibt Ihnen das Gesetz in §§ 203, 204 BGB gleich mehrere Möglichkeiten an die Hand, den Ablauf der Verjährungsfrist zu hemmen. Der Zeitraum, in dem die Verjährung gehemmt ist, wird dabei dann nicht eingerechnet und verlängert die Verjährungsfrist entsprechend.

Beispiel:
Verjährt eine Forderung grundsätzlich mit Ablauf des 31.12.2019, war die Verjährung aber in Zwischenzeit bis dahin für einen Zeitraum von sechs Monaten gehemmt, so verschiebt sich der Eintritt der Verjährung um diese sechs Monate nach hinten, also in diesem Beispiel bis zum Ablauf des 30.06.2020.

Praxistipp 3
Die Einrede der Verjährung kann durch Verhandlungen mit dem Schuldner oder gerichtliche Geltendmachung gehemmt werden. Prüfen Sie deshalb frühzeitig – spätestens im Oktober eines Jahres – welche Forderungen noch vor Jahresende vor dem Eintritt der Verjährung bewahrt werden müssen.

Praxistipp 4
Behandlungsleistungen sollten zeitnah abgerechnet werden, insbesondere wenn der Patient den Behandler zur Abrechnung der erbrachten Behandlungsleistung ausdrücklich aufgefordert hat.

Die Verjährung kann insbesondere gehemmt werden durch:
• Verhandlungen mit dem Schuldner über die Forderung
• die gerichtliche Geltendmachung der Forderung in Form der Klage
(§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB) oder eines Mahnbescheids (§ 204 Abs. 1
Nr. 3 BGB)

Beachten Sie dabei, dass eine Zahlungserinnerung oder außergerichtliche Mahnung den Eintritt der Verjährung grundsätzlich nicht hemmt. Für die Hemmung durch Verhandeln mit dem Schuldner ist erforderlich, dass es zu einem echten Meinungsaustausch zwischen den Parteien kommt. Nach der Rechtsprechung reicht es dabei insbesondere nicht, wenn der Schuldner auf Verhandlungsangebote des Gläubigers entweder überhaupt nicht reagiert oder die Zahlung direkt unmissverständlich ablehnt. Vorsicht ist daher insbesondere geboten, wenn zeitnah zum Ablauf der Verjährungsfrist versucht werden soll, die Verjährung durch Verhandlungen mit dem Schuldner zu hemmen, da dieser dann regelmäßig kein Interesse an Verhandlungen haben wird.

2. Die Verwirkung
Die Verwirkung ist im Gesetz nicht geregelt. Die Verwirkung stellt vielmehr eine auf Treu und Glauben (§ 242 BGB) fußenden Einwendung der unzulässigen Rechtsausübung dar. Im Gegensatz zur Verjährung, auf die sich der Schuldner ausdrücklich berufen muss, ist die Verwirkung als Einwendung durch das Gericht von Amts wegen zu berücksichtigen (BGH, Urteil v. 10.11.1965, Ib ZR 101/63, NJW 1966 S. 343, 345) und führt dazu, dass der Zahlungsanspruch erlischt (rechtsvernichtende Einwendung) bzw. gar nicht erst wirksam entstanden ist (rechtshemmende Einwendung).

Die Verwirkung eines Zahlungsanspruchs kommt dabei in Betracht, wenn der Gläubiger diesen längere Zeit nicht geltend macht, obwohl er dazu in der Lage wäre (Zeitmoment), und der Schuldner sich mit Rücksicht auf das gesamte Verhalten des Gläubigers darauf einrichten durfte und eingerichtet hat, dass dieser sein Recht auch in Zukunft nicht geltend machen werde (Umstandsmoment).

Zeitmoment
Der Zeitraum, nach dem eine Verwirkung der Forderung bejaht werden kann, ist dabei zur Dauer der jeweiligen Verjährungsfrist in Bezug zu setzen, da eine bereits kurze Verjährungsfrist in der Regel nicht noch weiter beschnitten werden soll. Insbesondere die Regelverjährungsfrist von drei Jahren gemäß § 195 BGB soll dem Gläubiger daher in der Regel ungekürzt zur Verfügung stehen.

Umstandsmoment
Das Umstandsmoment ist gegeben, wenn der Schuldner nach Treu und Glauben davon ausgehen durfte, durch den Gläubiger nicht mehr in Anspruch genommen zu werden. Dies setzt voraus, dass der Gläubiger objektiv gesehen in der Lage gewesen wäre, seine fällige Forderung gegenüber dem Schuldner geltend zu machen, dies jedoch tatsächlich unterlassen hat und dem Schuldner den Eindruck vermittelt hat, er werde aus seinem Recht gegen ihn nicht weiter vorgehen. Dies kommt insbesondere dann in Betracht, wenn der Patient den (Zahn-)Arzt aufgefordert hat, über die erbrachte Behandlungsleistung abzurechnen und der (Zahn-)Arzt dem nicht innerhalb eines angemessenen Zeitraums nachgekommen ist.

Das OLG Nürnberg hat in diesem Zusammenhang mit Beschluss 09. Januar 2008 – 5 W 2508/07 entschieden, dass der Honoraranspruch eines Arztes/Zahnarztes jedenfalls dann verwirkt sei, wenn dieser mit der Stellung seiner Honorarrechnung mehr als drei Jahre zuwartet, nachdem der Patient die Behandlung unter Berufung auf deren angebliche Fehlerhaftigkeit unter Androhung gerichtlicher Schritte abgebrochen und den Arzt dazu aufgefordert hat, keine Rechnung zu stellen.

Das AG Frankfurt war mit Urteil vom 23. Mai 1996, Az. 30 C 2697/95 sogar der Auffassung gewesen, dass eine zahnärztliche Honorarforderung, die mehr als zwei Jahre nach Beendigung der Behandlung erstmals abgerechnet wird, verwirkt sei.

Behandlungsleistungen sollten daher zeitnah abgerechnet werden, insbesondere wenn der Patient den Behandler zur Abrechnung der erbrachten Behandlungsleistung ausdrücklich aufgefordert hat.

Oliver Graf
Rechtsanwälte Semsi & Graf, Singen


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