Umgang mit dem Sprechstundenbedarf & Vermeidung von Regressen

Umgang mit dem Sprechstundenbedarf & Vermeidung von Regressen

Bei der Verordnung von Sprechstundenbedarf ist einiges zu beachten, wenn Sie einen Regress verhindern wollen. Die Rechtsgrundlage der Wirtschaftlichkeitsprüfung, die auch den Sprechstundenbedarf umfasst ist in einigen Gesetzen, Verordnungen und Richtlinien verankert, z.B.:

  • im Sozialgesetzbuch 4 (SGB IV)
  • SGB V
  • SGB X aber auch in der
  • Wirtschaftlichkeitsprüfungsverordnung
  • im Bundesmantelvertrag
  • in den Richtlinien des GBA und in einigen Kassenärztlichen Vereinigungen auch noch zusätzlich
  • in der Prüfvereinbarungen und auch
  • der Richtgrößenvereinbarung

Aber was bedeutet Wirtschaftlichkeit überhaupt und was verstehen wir unter dem WANZ-Prinzip?

Grundsätzlich können ärztliche Leistungen und Verordnungen vom Patienten beansprucht werden. Sie können vom Arzt erbracht und von der Kasse bezahlt werden, sofern diese im Sinne des Wirtschaftlichkeitsgebotes wirtschaftlich sind. Das Wirtschaftlichkeitsgebot steht z.B. im § 2 SGB V und im § 12 SGB V und bedeutet:

WANZ
– wirtschaftlich
– ausreichend
– notwendig
– zweckmäßig

Bei einem Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot können Arztpraxen und MVZ, Prüfungen drohen. Somit steht der Arzt permanent in einem Spannungsfeld zwischen der eigenen Therapie- und Behandlungsfreiheit, den Wünschen und Ansprüchen der Patienten und den Vorgaben des Gesetzes. Aus diesem Grund ist es wichtig, mit den Regelungen des Sprechstundenbedarfs vertraut zu sein und richtig zu verordnen, um sich vor Regressen weitestgehend zu schützen.

Regresse können ausgesprochen werden:

  • Bei Verordnung unzulässiger Mittel und Materialien
  • Bei Überschreitung Ihres Budgets

Der Sprechstundenbedarf ist definiert durch:
Die Mittel und Materialien, die bei mehr als einem GKV-Patienten (GKV = gesetzliche Krankenversicherung) im Rahmen der Behandlung angewendet werden oder die bei Akut- und Notfällen eingesetzt werden. Dabei muss die Höhe und der Umfang des angeforderten Sprechstundenbedarfs auch zur Praxis passen und in einem angemessenen Verhältnis zur Anzahl der behandelten Patienten stehen!

WICHTIG!
Nicht alle Materialien, die in der Praxis benötigt werden, können über ein Sprechstundenbedarfsrezept bezogen werden! So gelten Desinfektionsmittel beispielsweise nur dann als Sprechstundenbedarf, wenn sie zur Anwendung am Patienten eingesetzt werden können und dafür geeignet sind (z.B. Hautdesinfektionsmittel), während Desinfektionsmittel für die Hand-, Instrumenten- oder Raumdesinfektion nicht unter die Regelungen zum Sprechstundenbedarf fallen und von der Praxis eingekauft werden müssen.

Auch Medikamente können über den Sprechstundenbedarf bezogen werden, jedoch beschränkt auf die Arzneimittel, die für Notfälle und für die Sofortanwendung vorgesehen sind. Es gibt in jeder Kassenärztlichen Vereinigung ein Verzeichnis über die Mittel und Produkte, die im Sprechstundenbedarf eingesetzt und angewendet werden dürfen. Mit Hilfe dieser Übersicht lässt sich sehr leicht herausfinden, welche Produkte im Sprechstundenbedarf erlaubt sind. In der Regel sind diese Verzeichnisse aufgeteilt in (hier am Beispiel des Sachverzeichnisses der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen Lippe, KVWL):

  • Arzneimittel
  • Desinfektions- Reinigungs- und Pflegemittel
  • Diagnostika, Diagnose- und Laborbedarf
  • Einmalbedarf zur Infusion, Injektion, Drainage, Entnahme
  • Gefäße
  • Implantate
  • Instrumente, Geräte und Zubehör
  • Urologischer Bedarf
  • Verband-, Kompressions- und OP-Material
  • Sonstiger Bedarf – Alphabetische Liste

Beispiel des Sprechstundenbedarf-Sachverzeichnisses der KVWL:

Sprechstundenbedarf
Sachverzeichnis über Sprechstundenbedarf (SSB) der Verbände der Krankenkassen und der KVWL, Stand Januar 2022
Quelle: https://www.kvwl.de/mitglieder/verordnung/sonstige-verordnung/sprechstundenbedarf, abgerufen am 07.09.2022 um 08:08 Uhr

 

Grundsätzlich wird der Sprechstundenbedarf für Primär- und Ersatzkassen einmal im Quartal angefordert.

Wichtig hierbei:
Der Sprechstundenbedarf gilt ausschließlich für Kassenpatienten. Für Privatpatienten darf aus dem Sprechstundenbedarf nichts entnommen werden. Diese Materialien müssen von der Praxis eingekauft werden und können teilweise an den Patienten weiterberechnet werden (siehe § 10 GOÄ, Ersatz von Auslagen).

Für neu niedergelassene Ärzte gilt:
Die Erstausstattung des Sprechstundenbedarfs hat der Arzt zu tragen. Eine Kostenerstattung der eingesetzten Produkte und Materialien kann bei GKV-Patienten erst nach Ablauf des ersten Quartals erfolgen.

Tipps zum Schutz vor Regressen:

  • Anwendung der aktuellen und gültigen Übersicht über den Sprechstundenbedarf
  • Überprüfung der von den Lieferanten zur Verfügung gestellten Produkte, ob sie tatsächlich in den Sprechstundenbedarf fallen
  • Überprüfung der Lieferscheine der Lieferanten vor Ausstellung von Rezepten
  • Welche Budgetgrenze gilt in Ihrer KV und für Ihre Fachgruppe
  • Einhalten der Budgetgrenze bei der Anforderung des Sprechstundenbedarfs
  • Dokumentation der Vernichtung von Impfstoffen bezüglich der Menge und Art
  • Schriftliche Bestätigung der vernichteten Impfstoffe (Menge & Art) durch Ihre Apotheke
  • Ausschließliche Verwendung der Produkte aus dem Sprechstundenbedarf für Kassenpatienten. Der Einsatz der Produkte für Privatpatienten ist unzulässig.

 


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