Gut vorbereitet in die Betriebsprüfung

Gut vorbereitet in die Betriebsprüfung

Die Betriebsprüfung in der Arztpraxis hat sich in den letzten Jahren stark verändert. Die Prüfer gehen konkreter vor und prüfen verstärkt den Einnahmenbereich. Auf diese neuen Besonderheiten werde ich mich im Beitrag beschränken. Die üblichen Prüfungsfelder der Ausgaben sind nach wie vor zu beachten.

Wie oft wird eine Arztpraxis geprüft?
Dies hängt im Wesentlichen von 4 Faktoren ab

  1. die Größe der Praxis: Hierzu gibt es Größeneinteilungen nach der Betriebsprüfungsordnung. Wenn Ihr Praxisgewinn 700.000 EUR/Jahr übersteigt, wird
    die Praxis lückenlos jedes Jahr geprüft. Liegt der Umsatz darunter, müssen Sie nur stichprobenartig damit rechnen
  2. Risikoprofil Ihrer Praxis
  3. Steuervita des Steuerpflichtigen
  4. Zufallsauswahl

Zum Risikoprofil:

  • Ungewöhnliche Verträge mit nahen Angehörigen
  • Verwendungsprüfung von betrieblichen Darlehensmitteln
  • Ungeklärte Vermögenszuwächse, Einlagen
  • Entnahme von Praxisvermögen zu zweifelhaften Werten
  • Auffällige Betriebsausgaben: Reparaturen, Beratungskosten…
  • Änderungen im Ärztebestand/Gesellschafter
  • Praxisvertreter (Scheinselbständigkeit)
  • Kontrollmitteilungen
  • Schätzungsbescheide
  • Häufiger Steuerberaterwechsel

Ist eine Selbstanzeige möglich?
Liegt einmal die Prüfungsanordnung vor, ist eine strafbefreiende Selbstanzeige für eine Steuerstraftat nicht mehr möglich. Das war früher anders: Man konnte bis zum Beginn der Prüfung reumütig seine „Leichen“ ohne Bestrafung nacherklären.

Oftmals kündigt sich der Prüfer vorab telefonisch an, um einen Prüfungszeitraum abzustimmen. Das ist der Ideale Zeitpunkt eine Nacherklärung abzugeben, bis zum schriftlichen Ergehen der Prüfungsanordnung.

Es existiert eine flächendeckende Schulung der Prüfer im Heilberufebereich:

Die Zeiten sind vorbei, dass sich Prüfer nur auf die Prüfung der Ausgaben beschränken und ein paar private Belege aufgreifen. Sie werden derzeit bestens geschult und gehen wie folgt vor:

  • Zunehmende Prüfung auch für Umsatzsteuer und Gewerbesteuer bei Heilberufen
  • Aufschlüsselung der KV/KZV-Abrechnungen (Anlagen werden angefordert) … Zuzahlungen bei Zahnärzten werden hochgerechnet – Vergleich mit erfassten Einnahmen
  • Verprobung von Einnahmen
  • Heranziehung von Vergleichsdaten
  • Prüfung von Abrechnungssystemen (z. B. Z1) Handbuch
  • Liegt eine Verfahrensdokumentation vor
  • Rechnungsausgangsbuch
  • Fortlaufende Rechnungsnummern
  • Stornobuchungen
  • Briefköpfe und Kontonummern
  • Röntgenbuch, Goldbuch, Spiralenbuch
  • Leistungsstatistik
  • Terminkalender

Datenzugriff ist erlaubt, der Arzt ist für den Datenschutz des Patienten zuständig.

4. Weitere Prüfungsfelder im Visier:
Wird der erworbene und bezahlte Praxiswert zurecht steuerlich abgeschrieben? Dies ist neuerdings nur möglich, wenn nicht nur der Erwerb der „Vertragsarztzulassung“ das Ziel ist. Eventuell könnte dieser Verkauf auch Umsatzsteuer auslösen. Hier ist steuerlicher Rat beim Verkauf gefragt. Da dies oft übersehen wird, freut sich der Prüfer über diese Feststellung. Stehen die aufgenommenen Darlehen bei Praxisübernahme in eindeutigem Finanzierungszusammenhang mit der Investition, sowohl sachlich als auch zeitlich? Auch hier kommt es kurzerhand ohne Dokumentation zu Streichungen der Zinsen.

Umsatzsteuerpflicht von IGeL-Leistungen und Gutachten ist ebenfalls ein dankbares Prüffeld für die Prüfer. Meine Empfehlung ist hier eine eindeutige Dokumentation im Vorfeld.

Der Prüfer sammelt Indizien:

  • Praxisbesichtigung – Prospektmaterial
  • Fortbildungen
  • Einkauf Material und Geräte
  • Deutliche Erhöhung Berufshaftpflichtversicherung? (plast. Chirurgie)
  • Beratungskosten
  • Internet-Leistungsangebot
  • Kontrollmitteilung
  • Außergewöhnliche Belastungen bei Patienten

Der Prüfer wird sich folgende Einnahmequellen der Praxis genauer anschauen:

  • KV/KZV/Selektivertragsabrechnungen Achtung: Finanzamt macht ggf. eine Abfrage bei KV/KZV
  • Privatpatienten (Storno = Barzahlung, Vollständigkeit)
  • Leistungsangebot wird geprüft (Google-Recherche)
  • Studien, Boni, Autorentätigkeit
  • IGeL: Studien Mirena…, Naturalrabatte; Rechnungsvergleich mit dem Lieferschein (Praxismaterial anstatt Spirale)
  • Praxisvertretung
  • Edelmetallbestände
  • Nutzungsvorteile Zuweiser und Pharmafirmen
  • Mengeneinkauf Spiralen/Kronen
  • Auffällige Einkäufe: Botox, Hyaluron…
  • Prüfung der Laufzeiten der Geräte (Cerec)
  • Statistiken (GOÄ/GOZ), Kostenstatistiken (Stat. Bundesamt)
  • Verkauf Nahrungsergänzungsmitel/Bleaching…
  • Kontakte zu Zuweisern
  • Teilfertige Leistungen – Ansatz und Bewertung bei Bilanzierung
  • PVS – Bestand auf Geldkonto/Stundungskonto maßgebend
  • Fortlaufende Privat-Rechnungen Prüfung anhand der Praxissoftware auf Vollständigkeit
  • Datenanalyse des Familienbestandes

Sollte es hier zu Auffälligkeiten kommen, kippt die Prüfungsstimmung schnell.

Umsatzsteuer als lukratives Prüfungsfeld
Die Umsatzsteuer generell interessiert den Prüfer sehr, denn hier ist ordentlich was zu holen. Die Umsatzsteuer ist im Honorar ja nicht eingepreist, wenn man nicht weiß, dass die Leistung umsatzsteuerpflichtig war. Im Nachgang würde man nur die Patienten ärgern, wenn die Rechnung korrigiert würde. Rechtlich wäre dies evtl. auch nicht durchsetzbar.

Folgende Leistungen werden neben den erwähnten IGeL-Leistungen und der möglichen Umsatzsteuerpflicht beim Kauf eines Praxiswerts geprüft:

  • Vortragshonorare
  • Studiengelder
  • Verkauf von Hilfsmitteln
  • Zahntechnische/Laborleistungen
  • Ästhetische Leistungen

Wird die Kleinunternehmergrenze von bisher 17.500 EUR und ab diesem Jahr dann 22.000 EUR für umsatzsteuerpflichtige Leistungen überschritten, wird auch rückwirkend Umsatzsteuer erhoben. Das tut weh, denn hier hätte man früher handeln können bei entsprechender Umsicht und guter Beratung.

Ganz neu ist dieses Thema bei der Prüfung von Arzt- und Zahnarztpraxen: Wann droht Gewerbesteuer?

Welche Vorgänge lösen Gewerbesteuer aus?

  • Anstellung von Ärzten ohne Überwachungsmöglichkeit (Zweigpraxis, fachfremde Ärzte, Anzahl Ärzte…)
  • Verkauf von Heil- und Hilfsmittel
  • Beteiligung der BAG an gewerblichen Unternehmen
  • Verbotene Zuweisung gegen Entgelt (kein ärztliches Honorar)

Die Konsequenzen der Gewerbesteuerpflicht:
Bilanzierung und damit verbundene Forderungserfassung und Inventuraufstellung. Die Erstellung einer Bilanz führt zu höherem Steuerberaterhonorar.
Die Gewerbesteuer wird als Einkommensteuervorauszahlung angerechnet bei einem Hebesatz bis zu 380% zu 100%. Bei höherem Hebesatz der Stadt verbleibt eine Mehrbelastung.

Achtung: Finger weg!
Die verbotene Zuweisung gegen Entgelt stellt neben der Umsatzsteuer und Gewerbesteuerpflicht auch eine Straftat dar. Der Prüfer wird diesen Vorgang an die Straf- und Bußgeldstelle weiterleiten, dazu ist er verpflichtet. Dies könnte zur Folge haben, dass Ihre VA-Zulassung oder im schlimmsten Fall auch die Approbation entzogen wird. Dies wäre weitaus schlimmer als steuerliche Konsequenzen und eine saftige Geldbuße. Eine weitere Straftat könnte darin liegen, die gesetzliche Krankenkasse zu betrügen mittels Ausstellung einer Honorarrechnung allein für die Einreichung bei der Krankenkasse ohne dies tatsächlich vom Patienten einzufordern.

Also bitte von beidem: Finger weg!
Insgesamt stellen wir fest, dass die Einleitung des Strafverfahrens immer öfter und schneller durchgeführt wird. Die Prüfer sind zur Einleitung angehalten, sobald ein Anfangsverdacht der Steuerhinterziehung oder eine andere Straftat vorliegt. Sollte das Strafverfahren eingeleitet werden, gelten andere Regeln als im Besteuerungsverfahren. Sie müssen sich nicht selbst belasten und es empfiehlt sich trotzdem im Besteuerungsverfahren mitzuwirken, um Schlimmeres zu verhindern. Ein Zwiespalt! Das ist es doch alles nicht wert. Also konzentrieren wir uns auf eine gut geschulte Abrechnung der Leistungen und arbeiten daran im Rahmen der Möglichkeiten betriebwirtschaftlich erfolgreich zu handeln. Damit lebt es sich entspannter und schläft sich besser.

Claudia Himmelsbach
Steuerberaterin, Fachberaterin im Heilberufebereich (IFU/ISM gGmbH)
STEUERrat Himmelsbach und Partner


Aus dem Magazin:

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Autoren, sofern nicht ausführlich benannt:

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