GOP 03040 Vorhaltepauschale ab 2026:

GOP 03040 Vorhaltepauschale ab 2026:

Chancen, Herausforderungen und Auswirkungen für MVZ und Gemeinschaftspraxen

Die hausärztliche Vorhaltepauschale (GOP 03040) wird neu geregelt

Die hausärztliche Vorhaltepauschale (GOP 03040) wird ab dem 1. Januar 2026 nach langem politischem und fachlichem Diskurs neu geregelt.
Seit 2013 vergütet die GOP 03040 Hausärzte pauschal für die Vorhaltung von Versorgungsstrukturen, die nicht immer direkt in der unmittelbaren Einzelleistung sichtbar sind.
Mit den neuen Regelungen wird die Struktur der Vorhaltepauschale modifiziert, um eine noch zielgenauere Honorierung zu ermöglichen.

Grundstruktur der GOP 03040-Neuregelung

Zum Stichtag wird die Bewertung der GOP 03040 von bisher 138 Punkten auf 128 Punkte abgesenkt, begleitet von einer zweistufigen Zuschlagsmöglichkeit.
Praxen, die mindestens zwei bis sieben der definierten zehn hausärztlichen Kriterien erfüllen (z.B. Haus- und Pflegeheimbesuche, Ultraschalluntersuchungen, Schutzimpfungen), erhalten einen Zuschlag von 10 Punkten (GOP 03041).
Erfüllen sie acht oder mehr dieser Kriterien, steigt der Zuschlag auf 30 Punkte (GOP 03042).

Die Vergütung wird dabei weiterhin an die Anzahl bzw. Größe der Praxis gekoppelt: Praxen mit mehr als 1.200 Behandlungsfällen je Arzt im Quartal erhalten einen Aufschlag, unter 400 Fällen erfolgt ein Abschlag.
Erstmals eingeführt wird ein 40-prozentiger Abschlag auf die Vorhaltepauschale bei weniger als zehn Schutzimpfungen im Quartal, mit Ausnahmen für spezielle Schwerpunktpraxen.

Kooperationsgrad: Kein neues Kriterium, aber seit langem relevant

Wichtig ist zu verstehen, dass der sogenannte „Kooperationsgrad“ kein neues Kriterium der GOP 03040-Neuregelung ist, sondern eine seit Jahren existierende Größe im Rahmen der Abrechnung von Gemeinschaftspraxen und MVZ.
Der Kooperationsgrad bemisst sich an dem Anteil der gemeinsam behandelten Fälle fachgleicher Ärzte an der Gesamtfallzahl und beeinflusst die Zuschläge auf das Regelleistungsvolumen (RLV).
Diese Regelungen sind unabhängig von der GOP 03040 und bleiben unverändert bestehen.

Entbudgetierung hausärztlicher Leistungen und ihre Folgen

Seit Oktober 2025 läuft die Entbudgetierung vieler hausärztlicher Leistungen, insbesondere solcher im EBM-Kapitel 3.
Das bedeutet, dass Leistungen wie Hausbesuche und gewisse Konsultationen nicht mehr mengenmäßig durch ein begrenztes Regelleistungsvolumen (RLV) gedeckelt werden. Die Vergütung erfolgt fortan ohne Mengenbegrenzung und ist somit für die Arztpraxis planbarer.

Herausforderungen durch die Entbudgetierung

Diese Entbudgetierung bringt für die Berechnung des Kooperationsgrads bedeutsame Herausforderungen mit sich:
Da viele Hausarztfälle nicht mehr budgetwirksam sind, werden sie in der Fallzahlerfassung für die Kooperationsgradberechnung nicht oder nur eingeschränkt berücksichtigt.
Dies führt rechnerisch zu einem geringeren Kooperationsgrad und damit zu geringer ausfallenden Zuschlägen auf das RLV.
Vor allem MVZ und Gemeinschaftspraxen mit unterschiedlichen oder fachgleichen Fachgruppen sind davon betroffen, weil die Fallzahlstrukturen stark differenziert sind.

HZV-Fälle: Eine Besonderheit in der Fallzahlerfassung

Nach aktuell vorliegenden Informationen werden HZV-Fälle bei der Berechnung der GOP 03040 nicht mitgerechnet.
Das liegt daran, dass HZV-Verträge auf separater vertraglicher Basis (Selektivverträgen) beruhen und die Behandlungsfälle systemseitig separat von der Regelversorgung geführt werden.
Diese Nichtberücksichtigung führt dazu, dass HZV-Fälle bei der Zählung der Fallzahlen für die Zuschlagsberechnung nicht oder nur in Ausnahmefällen berücksichtigt werden.
Dies verursacht insbesondere bei Praxen mit hohem HZV-Anteil eine geringere Fallzahlbasis, was finanzielle Nachteile im Rahmen der Vorhaltepauschale bedeutet.

Die KV Baden-Württemberg hat auf ihrer Website angekündigt, dass die HZV-Fälle mit der GOP 88192 und 88194 bei der Berechnung berücksichtigt werden sollen.
Weitere Klarstellungen anderer KVen gab es bis zum Redaktionsschluss noch nicht.

Konsequenzen für MVZ und Gemeinschaftspraxen

  • Der Kooperationsgrad sinkt formal, obwohl die Zusammenarbeit in der Versorgung unverändert oder sogar intensiviert sein kann.
  • Dadurch entfallen oder reduzieren sich zum Teil wichtige Zuschläge auf das RLV, die für Praxen und MVZ finanzielle Stabilität bedeuten.
  • Die voraussichtliche Nichtberücksichtigung von HZV-Fällen führt zusätzlich zu geringerer Fallzahlbasis für Zuschlagsberechnungen der GOP 03040.
  • Dies stellt eine erhebliche finanzielle Belastung dar, gerade für Einrichtungen mit gemischter fachlicher Zusammensetzung oder hohem HZV-Anteil.
  • Die GOP 03040-Neuregelung selbst ändert nichts an der Definition oder Anwendung des Kooperationsgrads, sie bleibt hier davon unberührt.
  • Das wesentliche Problem liegt in der systematischen Fallzahlerfassung und der neuen Versorgungsrealität durch die Entbudgetierung und selektivvertragliche HZV-Fallführung.

Ausblick: Zwischen Chancen und Herausforderungen – Handlungsbedarf für MVZ und Gemeinschaftspraxen

Die Neuregelung der GOP 03040 mag auf den ersten Blick wie ein Fortschritt wirken: Strukturierte Zuschläge und klare Kriterien sollen eine passgenaue Honorierung ermöglichen.
Doch hinter dieser Fassade zeichnet sich eine komplexe Realität ab, die insbesondere MVZ und größere Gemeinschaftspraxen mit mehreren Fachgruppen vor große Herausforderungen stellt.

Der Kooperationsgrad – längst kein Novum, sondern eine etablierte Größe im System – gerät durch die Entbudgetierung hausärztlicher Leistungen massiv unter Druck.
Die technologische und organisatorische Umsetzung hinkt hinterher, denn die Fallzahlermittlung und Zuschlagsberechnung berücksichtigen entbudgetierte Fälle bislang nicht oder nicht adäquat.

Resultat

Praxen und MVZ dokumentieren formal weniger gemeinsame, budgetrelevante Fälle, obwohl inhaltlich die Zusammenarbeit unverändert oder gar intensiviert wird.
Der Bundesverband Medizinischer Versorgungszentren (BMVZ) macht deutlich: Ohne rasche und pragmatische Lösungen droht eine Absenkung der Kooperationszuschläge – mit erheblichen finanziellen Einbußen. Das gefährdet gerade innovative Versorgungsmodelle, die auf integrierter Facharzt- und Hausarztversorgung basieren, und damit die Versorgung insgesamt.

Die Situation verlangt daher mehr als kosmetische Anpassungen. Es braucht eine transparente und nachvollziehbare Fallzahlerfassung, die den realen Versorgungsalltag abbildet.
Technische Lösungen müssen endlich mit den gesetzlichen und vertraglichen Rahmenbedingungen in Einklang gebracht werden.

Notwendige Schritte

Und vor allem: Politik, KVen und Verbände sind nun gefordert, eng zusammenzuarbeiten, um die Weichen für eine faire Honorierung zu stellen.

Die ambulante Versorgung steht an einem Schnittpunkt, an dem pragmatische Reformen, die Bürokratie abbauen und Versorgungsqualität fördern, dringend umgesetzt werden müssen –
MVZ und Gemeinschaftspraxen müssen dabei als tragende Säulen endlich angemessen gesehen werden.

Der Weg ist anspruchsvoll, aber er ist wichtig. Denn am Ende geht es um eine zukunftsfähige, patientenorientierte Versorgung in Deutschland – die ohne klare, realitätsnahe Honorierung der interdisziplinären Zusammenarbeit nicht gelingen wird.



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