Das neue Antikorruptionsgesetz

Das neue Antikorruptionsgesetz

Am 04.06.2016 ist das neue Gesetz zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen in Kraft getreten. Das Gesetz wirft viele Fragen auf, wobei es bisher noch keinerlei gerichtliche Entscheidungen gibt.

Dies hat zu einer Verunsicherung der Angehörigen der Gesundheitsberufe aber auch darüber hinaus geführt.

Wir wollen versuchen, durch die Beantwortung der drängensten Fragen in den nächsten Wochen und Monaten eine Orientierungshilfe im Umgang mit den neuen Vorschriften zu geben. Sobald die ersten Entscheidungen vorliegen, werden wir hierüber zeitnah berichten.

Was ist neu an dem Antikorruptionsgesetz?
Mit dem Antikorruptionsgesetz wurden zwei neue Straftatbestände, nämlich die §§ 299a und 299b in das Strafgesetzbuch eingeführt. Die bisher geltenden Korruptionstatbestände im Strafgesetzbuch gelten nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes für Ärzte und Angehörige von Heilberufen nicht.

Durch die gesetzliche Neureglung können Bestechung und Bestechlichkeit von Angehörigen eines Gesundheitsberufes seit dem 04.06.2016 mit Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft werden. In besonders schweren Fällen ist sogar ein Strafrahmen von drei Monaten bis zu fünf Jahren vorgesehen.

Gilt das neue Gesetz rückwirkend?
Nein! Im gesamten materiellen Strafrecht gilt ein striktes Rückwirkungsverbot. Dies bedeutet, dass Strafgesetze nur in die Zukunft hineinwirken können, niemals aber für vergangene Zeiten angewendet werden dürfen. Von der gesetzlichen Neuregelung werden also nur Sachverhalte erfasst, die seit dem 04.06.2016 entstanden sind.

Gibt es Übergangsfristen?
Grundsätzlich nein! Das Gesetz ist am 04.06.2016 in Kraft getreten und muss seit diesem Tage von den Strafverfolgungsbehörden auch angewendet werden. Es kann allerdings Sachverhalte geben, bei denen eine taggenaue Anwendung des Gesetzes zu unbilligen Ergebnissen führen würde.

So können beispielsweise auch Unternehmensbeteiligungen bzw. Beteiligungen an einem gewerblichen Labor unter die gesetzliche Neuregelung fallen. Es ist aber weder rechtlich noch tatsächlich möglich, praktisch über Nacht eine derartige Beteiligung aufzulösen. Hier wird man den Betroffenen eine Frist einräumen müssen, ihr Verhalten an die neuen Vorschriften anzupassen.

Da seit dem Inkrafttreten des Gesetzes mehr als ein halbes Jahr vorüber ist, dürften diese Fristen abgelaufen sein. Weitere Ausnahmen gibt es nicht. Jeder ist verpflichtet, sich an geltendes Recht zu halten.

Wer wendet die neuen Vorschriften an?
Für die Verfolgung von Straftaten ist in Deutschland die Staatsanwaltschaft zuständig. Die Staatsanwaltschaft ist verpflichtet, ein Ermittlungsverfahren einzuleiten, wenn ein sog. Anfangsverdacht besteht. Dies ist eine sehr niedrige Verdachtsschwelle. Es genügt, dass nach kriminalistischer Erfahrung es möglich ist, dass eine verfolgbare Straftat vorliegt. Die Staatsanwaltschaft hat dann die Aufgabe den Sachverhalt zu ermitteln.

Wer informiert die Staatsanwaltschaft hinsichtlich eines Verdachtes?
Die Informationsquellen der Staatsanwaltschaft sind vielfältig. Die Prüfung eines Tatverdachtes erfolgt immer dann, wenn beispielsweise eine Strafanzeige erstattet wird. Dies kann durch Patienten geschehen, Krankenkassen, Unternehmen, konkurrierende Ärzte, Neidende oder enttäuschte Mitarbeiter usw.

Darüber hinaus sind andere Behörden und Stellen von Amts wegen verpflichtet, die Staatsanwaltschaft über den Verdacht einer Straftat zu informieren. Zu nennen sind hier insbesondere die Betriebsprüfer.

Wenn ein Betriebsprüfer beispielsweise bei der Prüfung eines Pharmaunternehmens feststellt, dass es Zuwendungen an Ärzte gegeben hat, die als Korruption aufgefasst werden könnte, ist der Betriebsprüfer von Amts wegen verpflichtet, unverzüglich die Staatsanwaltschaft zu informieren. Dies gilt auch bei Betriebsprüfungen von Laboren, Zahntechnikern oder beispielsweise auch Krankenhäusern. Wenn bei der Prüfung eines Krankenhauses festgestellt würde, dass es Zuwendungen an Ärzte gegeben hat, die im Zusammenhang mit der Zuweisung von Patienten stehen, müsste der Betriebsprüfer zwingend die Staatsanwaltschaft informieren, die ihrerseits ein Ermittlungsverfahren einleiten müsste.

Ist künftig mit vermehrten Strafverfahren zu rechnen?
Ja. Dies schon allein deshalb, weil im Zuge der gesetzlichen Neuregelung auch sog. Schwerpunktstaatsanwaltschaften, die sich hauptsächlich mit dem Thema Korruption im Gesundheitswesen beschäftigen, eingerichtet worden sind. Dies wird schon zwangsläufig dazu führen, dass es vermehrt zur Einleitung von Ermittlungsverfahren kommen wird.

Müssen jetzt alle Ärzte und Angehörige eines Heilberufes Angst haben, kriminalisiert zu werden?
Nein! Im Grundsatz gilt: Was bisher berufsrechtlich zulässig war, ist auch weiterhin nicht zu beanstanden. Nur diejenigen, die sich bisher bewusst oder unbewusst in einer Grauzone bewegt haben bzw. ganz bewusst die Verletzung berufsrechtlicher Pflichten in Kauf genommen haben, müssen befürchten, Gegenstand eines Strafverfahrens zu werden.

Wer unsicher ist, ob seine Verhaltensweisen (noch) zulässig sind, dem kann nur anraten, eine Überprüfung durch einen Fachanwalt für Strafrecht durchführen zu lassen. Dann ist man auf der sicheren Seite.

Denjenigen, die bisher schon bewusst gegen berufsrechtliche Regelungen verstoßen haben, kann man nur den dringenden Rat erteilen, ihr Verhalten zu ändern. Konnte man bisher darauf hoffen, dass die Dinge berufsrechtlich mangels Zwangsbefugnissen nicht entdeckt werden, ist durch das neue Strafgesetz jetzt mit einer sehr hohen Entdeckungswahrscheinlichkeit zu rechnen. Da die Staatsanwaltschaft bei einem entsprechenden Anfangsverdacht Hausdurchsuchungen und Beschlagnahmen sowie Zeugenbefragungen durchführen kann und wird, lassen sich solche Sachverhalt recht unproblematisch aufklären.

Um es aber noch einmal in aller Deutlichkeit zu sagen:
Wer sich bisher berufsrechtlich zulässig verhalten hat, muss keinerlei Befürchtungen hegen. Was bisher erlaubt war, ist auch weiterhin erlaubt.

Dr. Stefan Hiebl, Fachanwalt für Strafrecht u. a. mit dem Schwerpunkt
Korruptionsstrafrecht in der Kanzlei Eimer Heuschmid Mehle, Bonn.


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